Manager-Bezüge seit 2003 um 140 Prozent gestiegen. | Vergangene Jahre waren geprägt von "Killerkapitalismus". | Tumpel für höhere Besteuerung von Vermögen. | "Wiener Zeitung": ÖGB-Präsident Erich Foglar erwartet härtere Sozialpartner-Auseinandersetzungen in der Krise, gleichzeitig findet WKO-Chef Christoph Leitl harte Worte in Richtung Gewerkschaft. Wie schätzen Sie die Situation ein? | Herbert Tumpel: Es ist eine sehr ernste Situation. Allein 14 ATX-Unternehmen haben heuer beschlossen, dass Dividenden von fast zwei Milliarden Euro ausbezahlt werden. Das ist ungefähr die Größenordnung, die die gesamte Lohnsteuerentlastung für die Arbeitnehmer ausmacht.
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Außerdem gingen sich mit diesem Betrag für alle 300.000 Beschäftigten dieser 14 Unternehmen vier Lohnrunden von fast fünf Prozent aus. Dass man immer die Aktionäre in diesem Ausmaß bedient und gleichzeitig Null-Lohnrunden ansagt, ist inakzeptabel.
Aber sitzen nicht Arbeitnehmer und Unternehmer in der Krise im selben Boot?
Natürlich sitzen alle in einem Boot, aber noch einmal: Die Ausschüttung ist erst heuer beschlossen worden. Nebenbei haben sich die Manager sehr gut abgesichert. Von 2003 bis jetzt sind die Löhne um 12 Prozent gestiegen, die Managerbezüge von diesen Unternehmen um 140 Prozent. Sie verdienen das 48-Fache eines Arbeitnehmers. Dann davon zu sprechen, dass die Arbeitnehmer den Gürtel enger schnallen sollen, spiegelt keine soziale Verantwortung wider.
Sie haben sich beim Auftakt für den AK-Wahlkampf für eine "gerechte, vernünftige Wirtschaftsordnung" ausgesprochen. Wie soll diese aussehen? Und wie unterscheidet sie sich vom Prinzip der sozialen Marktwirtschaft?
Wir hatten ja überhaupt keine soziale Marktwirtschaft, das ist ein Irrtum. Das war der Killerkapitalismus: In den letzten Jahren hatte nur die brutale Marktwirtschaft Gültigkeit. Es bedarf einer kompletten Neuordnung. Das gilt für den Bereich der gesamten Finanzmärkte und der Finanztransaktionen - diese müssen wesentlich strenger geregelt werden. Aber es braucht auch eine Neuordnung der Weltwirtschaft. Es kann nicht sein, dass immer wieder weltweit der Liberalisierung das Wort geredet wird. In den Entwicklungsländern wurde ohne Rücksicht auf die Umwelt drauf los produziert, das Grundwasser großflächig verseucht, Gewerkschaften sind verboten. Es ist dringend notwendig, dass die Kernarbeitsnormen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation der UNO, Anm.) Eingang in internationale Abkommen finden. Hier muss mehr Fairness Platz greifen - und zwar für beide Seiten.
Wollen Sie die Liberalisierung zurücknehmen?
In der EU soll nicht immer der Zwang zur Deregulierung und Liberalisierung vorherrschen - etwa bei kommunalen Versorgungssystemen, Nahverkehrssystemen, Gesundheitsdiensten und Ausbildung. Stattdessen sollen die jeweiligen Gebietskörperschaften selber entscheiden, wie sie die Dienste organisieren. Da ist die EU nach wie vor auf Liberalisierung ausgerichtet - damit muss Schluss sein.
Ist das Budget für die Jahre 2009/2010 Ihrer Meinung nach richtig verteilt?
Im Grundansatz stimmen die Überlegungen, dass man jetzt dringend beschäftigungspolitische Maßnahmen setzen muss. Die Lohnsteuersenkung ist eine solche wichtige Maßnahme. Die Menschen brauchen die Entlastung dringend. Der private Konsum ist noch eine der wenigen Stützen der konjunkturellen Entwicklung. In Wirklichkeit wird diese positive Maßnahme aber durch Ansagen über Null-Lohnrunden gefährdet.
Reicht das derzeitige Kurzarbeitsmodell aus?
Die Kurzarbeit ist ein wichtiges Instrument. Sie ist wesentlich besser, als wenn die Menschen in Arbeitslosigkeit sind, weil sie einen Arbeitsplatz haben und einen geringeren Einkommensverlust.
Sind Sie für längere Behaltefristen?
Das steht nicht zur Diskussion.
In diesen Wochen greift die Steuerreform 2009 - das könnte man eigentlich positiv vermarkten. Stattdessen tritt die SPÖ eine Debatte über die Vermögensbesteuerung los. Halten Sie den Zeitpunkt für klug gewählt?
Die öffentliche Debatte ist da, und die kann man nicht wegreden. Es waren unsere sozialdemokratischen Gewerkschafter, die das ganze vorige Jahr diese Lohnsteuersenkung für 2009 gefordert haben. Damals war von der ÖVP bis fast zum Schluss der Koalitionsverhandlungen ein dauerndes Nein zu hören.
Aber unabhängig von der Lohnsteuersenkung muss man über die Steuerstruktur diskutieren: Tatsache ist, dass Lohn- und Mehrwertsteuer zusammen zwei Drittel des gesamten Steueraufkommens in Österreich ausmachen. Das ist eine Schieflage. Hier muss man sich die Gerechtigkeitsfrage stellen und fragen, welche Beiträge in Zukunft vom "Kapital" kommen können. Ich kann mir für Österreich durchaus eine Kapitaltransaktionssteuer vorstellen. Das zweite sind steuerrechtliche Privilegien bei den Privatstiftungen.
Bei beiden Maßnahmen kann es überhaupt keinen Verdacht geben, dass der Mittelstand getroffen wird.
Was halten Sie von der Idee von Finanzminister Josef Pröll, im Gegenzug zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes die Zumutbarkeitsbestimmungen zu verschärfen?
Das ist indiskutabel. Wir haben 60.000 Menschen mehr, die Arbeit suchen, die mit Sicherheit nicht freiwillig arbeitslos sind. Die Arbeitnehmer haben diese Krise ja nicht verursacht. Und sie jetzt zu bestrafen, ist absolut nicht einsichtig.
70.000 Personen nutzen die Hacklerregelung. Ihr Kommentar dazu, dass dieses teure Modell mehr von Angestellten genutzt wird als von Arbeitern, für die es gedacht war?
Es ist verbessert worden, weil jetzt die Zeiten der Krankheitsdauer in die Zeiten, die zu dem Anspruch führen, eingerechnet werden. Das war sicher eine wichtige Maßnahme, weil Arbeiter berufsbedingt einem höheren Erkrankungsrisiko ausgesetzt sind.
Man muss im Laufe dieses Jahres aber mehrere Pensionsansätze neu diskutieren. So müssen bei Schwerarbeiterregelung und Invaliditätspension gerechtere Zustände erreicht werden.
Welches Wahlziel haben Sie für die laufende AK-Wahl in Wien? Können Sie das in Prozenten ausdrücken?
Ich kann nur appellieren, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Leute brauchen in schwierigen Zeiten eine starke Interessenvertretung. Ich trete wie jede Gruppe nicht mit der Erwartung an, zu verlieren, sondern hoffe auf größtmögliche Unterstützung.
Und was wäre dann ein Verlust für Sie?
Jetzt sind Wahlen und jetzt ist der Wähler am Wort.
"Dass man Aktionäre bedient und gleichzeitig Null-Lohnrunden macht, ist inakzeptabel."
"Unabhängig von der Lohnsteuersenkung muss man über die Steuerstruktur
diskutieren."