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Nicht jeder Sparkurs schadet der Konjunktur. Nicht alle Staatsausgaben sind wertvoll - und nicht jedes Wachstum ist erstrebenswert. Ökonomen ist das bewusst, aber im Politwrestling "Sparen versus Wachstum" wird jede sinnvolle Differenzierung erwürgt. Deshalb tritt die Debatte seit Wochen auf der Stelle und führt nirgendwohin - schon gar nicht zur Lösung der Krise der Eurozone. Weniger ideologisches Getöse und mehr Sachverstand wären ratsam - nicht nur vor EU-Gipfeltreffen.
Der Hausverstand ist oft ein guter Ratgeber. Man muss kein Volkswirt sein um zu verstehen, dass eine staatliche Schuldenkrise schwerlich gelöst wird, indem sich die Staaten noch tiefer verschulden. Wenn Wachstum gefördert werden soll, dann jedenfalls nicht mit üppigen staatlichen Geldgeschenken - da hat die konservative (wirtschaftsliberale) Seite recht: Sparsamkeit und effizienter Mitteleinsatz bleiben die Gebote der Stunde.
Das heißt aber nicht, dass gar nichts für das Wachstum und für mehr Jobs getan werden kann. Ohne Wachstum bringen die ambitioniertesten Spar- und Reformbemühungen nichts: Da haben die linken Ökonomen und Politiker recht. Auch ihre Kritik am Fiskalpakt (für mehr Budgetdisziplin) ist zum Teil berechtigt, weil dessen wichtigste Maßzahl, das strukturelle Defizit, nicht eindeutig berechnet werden kann.
Allerdings sollte in allen Bereichen - Sparen, Schulden, Wachstum - ohnehin weniger auf die Zahlen als auf die Qualität geachtet werden. Was ist damit gemeint? Ein Beispiel: Wenn Sie 100 Euro in der Tasche haben, können Sie Lebensmittelvorräte anlegen, Ihren Kindern Kleidung kaufen oder das Geld am Spielautomaten verzocken. Die Bilanz fällt unterm Strich gleich aus - Sie sind um 100 Euro ärmer. Die meisten würden aber zustimmen, dass die Investitionen unterschiedlich sinnvoll sind - so wie Staatsausgaben.
Ähnlich ist es beim Sparen. Ausgaben zu streichen, nur um eine bestimmte Staatsschuldenquote zu erreichen, ist sinnlos. Sinkt die Wirtschaftsleistung, steigt sie nämlich - rein rechnerisch - automatisch. Wird immer weiter gekürzt, fällt ein Staat rasch in eine fatale Rezessionsspirale. Dabei sagt die Schuldenquote ohnehin wenig über die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen aus: Italien lebt schon lange mit 120 Prozent, Japan gar mit weit mehr als 200 Prozent Verschuldung. Wichtiger wäre, konsequent Reformen und Sparmaßnahmen umzusetzen, die der Wirtschaft langfristig auf die Beine helfen - und über temporäre Rückschläge großzügig hinwegzusehen.
"Wachstum ist wie Weltfrieden, jeder ist dafür", scherzte jüngst ein Ökonom. Dabei ist nicht jedes Wachstum toll: Bei Griechenland ließen sich alle von der Konjunktur der Jahre ab 2001 blenden. Die war aber kein Zeichen der Stärke, sondern ein schuldenfinanziertes Strohfeuer. Nur, so genau wollte das niemand wissen.