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Schluss mit frisch gekocht?

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Essen gehen ist längst nicht so entspannend, wenn man Allergien hat.
© Frederic Cirou/PhotoAlto/Corbis

EU-Verordnung: Wirte müssen Gäste über die Verwendung von 14 definierten Allergenen informieren.


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Wien. In einem halben Jahr tritt die neue EU-Lebensmittel-Informationsverordnung in Kraft, eine gewaltige Herausforderung für die Gastronomie. Ab 13. Dezember müssen sämtliche Restaurants, Gasthäuser, Kantinen und Imbissbuden jene 14 Produktgruppen, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können, in den von ihnen servierten Speisen deklarieren. Dass das für Allergiker, die sich außer Haus verköstigen, eine Verbesserung darstellt, ist keine Frage. Heimische Wirte fürchten jedoch erhebliche Belastungen und warnen vor einem weiteren Vormarsch der Systemgastronomie.

Informationspflicht

Deklarationspflichtig sind laut EU-Regelung künftig Allergene wie Eier und Erdnüsse, Milcherzeugnisse, glutenhaltige Getreideprodukte, Krebstiere und Sellerie. Bisher mussten die wichtigsten Allergene lediglich auf verpackten Waren ausgewiesen werden. "Wir sind einer generellen Deklarationspflicht von Beginn an kritisch gegenübergestanden, da in der Gastronomie andere Voraussetzungen gelten als in der industriellen Lebensmittelproduktion", sagt Thomas Wolf, Geschäftsführer des Fachverbands Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). "Das betrifft die Verwendung von frischen regionalen Produkten ebenso wie die individuelle Speisenzusammenstellung auf Kundenwunsch."

Die Gretchenfrage lautet also: Wie soll die Information über jene für Allergiker gefährliche Stoffe an die Gäste weitergegeben werden? Müssen nun sämtliche Speisekarten in Telefonbuch-Stärke neu gedruckt werden, oder reicht es, wenn der Küchenchef bei Nachfragen über die Inhaltsstoffe Bescheid weiß? "Wir haben vom Gesundheitsministerium verlangt, dass im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie die Möglichkeit einer mündlichen Auskunftserteilung auf Anfrage eines Gastes vorgesehen wird", sagt Wolf. Ein Vorschlag, der in den Begutachtungsentwurf des Gesundheitsministeriums auch tatsächlich Eingang fand, bestätigt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums: "In jedem Lokal muss eine geschulte Person, Koch oder Kellner, schriftlich ausgewiesen sein, die über Inhaltsstoffe in den Speisen Auskunft geben kann."

Doch der angestrebte Kompromiss, mit dem sowohl Allergiker-Verbände als auch Wirte zufriedengestellt werden sollen, hat einen gravierenden Schönheitsfehler. "Damit wird zwar einer zentralen Forderung des Fachverbandes gefolgt, doch geeignete Schulungen für die Mitarbeiter sind derzeit am Markt nicht vorhanden", ärgert sich Wolf. "Wir sehen es auch als eine Aufgabe des Gesundheitsministeriums, die Wirtschaft bei der Umsetzung dieser gesundheitspolitischen Maßnahme zu unterstützen."

Zumindest die Befürchtung, dass in der heimischen Gastronomie nur noch streng nach Rezept gekocht werden darf, wäre mit dieser Variante vom Tisch: Sei es das schnelle Saucen-Binden mit Mehl oder das Verfeinern mit Schlagobers - eigentlich lässt die Deklarationspflicht wenig Raum für kreative Köche. "Da es auch die Möglichkeit geben soll, Informationen über Zutaten mündlich zu erteilen, ist es nicht zwingend, dass alles streng nach Rezept gekocht werden muss", zeigt man sich beim Gastronomieverband erleichtert. "Allerdings müssen die innerbetrieblichen Abläufe so gestaltet werden, dass dem Gast im Bedarfsfall jederzeit fundierte Informationen gegeben werden können. Das ist zweifelsohne eine große Herausforderung."

Industriell statt regional

Ein böses Erwachen könnte es freilich für jene Wirte geben, die bewusst auf frische, regionale Küche und Produkte vom Direktvermarkter setzen. Der Grund: Die Deklarationspflicht gilt auch für landwirtschaftliche Produzenten und Ab-Hof-Verkäufe. "Auch Bauern müssen Zutaten mit allergenem Potenzial bei selbst hergestellten Produkten wie Bauernwürstel, Käse oder Mehlspeisen künftig deklarieren, gleich, ob sie diese direkt dem Konsumenten anbieten oder an die Gastronomie liefern", gibt Wolf zu bedenken: "Der Wirt ist lediglich verpflichtet, jene Informationen, die er von seinen Vorlieferanten bekommen hat, weiterzugeben." Und hier kommen die industriell hergestellten Halb- und Fertigprodukte ins Spiel, die nur noch aufgewärmt werden müssen. "Bei denen findet sich eine vollständige Deklaration aller Zutaten auf der Verpackung. Insofern ist dort die Weitergabe leichter", sagt Wolf. Aus Gründen der Rechtssicherheit würden Wirte geradezu gezwungen, künftig auf Industriewaren und Fertigprodukte zurückzugreifen, warnen Kritiker. Manche prophezeien bereits den Siegeszug der Systemgastronomie. "Ziel einer sinnvollen Gesundheitspolitik kann es wohl nicht sein, den Absatz industriell hergestellter Lebensmittel zu erleichtern", ärgert sich Wolf.

Im Gesundheitsministerium verweist man auf die laufenden Verhandlungen. "Derzeit werden die Stellungnahmen aus der Begutachtung gesichtet und, soweit sinnvoll, eingearbeitet. Auf politischer Ebene werden die letzten Gespräche über mögliche Änderungen geführt", heißt es auf Anfrage der "Wiener Zeitung".

"Aus unserer Sicht sind noch einige wichtige Fragen, die Gastronomie betreffend offen, die wir Gesundheitsminister Alois Stöger persönlich in einem Schreiben übermittelt haben", gibt sich Wolf weiter kämpferisch. Nachsatz: "Wir warten aber immer noch auf einen Gesprächstermin und Antworten."