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"Schluss mit Kasino-Kapitalismus"

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Wirtschaft

Aktionäre tragen zu wenig Risiko. | Österreich schreibt weniger Verluste als andere Länder. | Berlin. Das Triple-A-Rating für Österreich ist gerechtfertigt. Denn Österreich steht in der Wirtschaftskrise vergleichsweise gut da, betont Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München (Ifo), im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


Er verweist darauf, dass sich die Abschreibungsverluste des heimischen Finanzsystems bis Februar 2009 in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf 0,3 Prozent belaufen - eine "zu vernachlässigende Größe". Während US-amerikanische und Schweizer Banken in der Krise mehr als die Hälfte ihres Eigenkapitals verloren hätten, betrugen die Verluste österreichischer Banken nur 1,1 Prozent.

"Offenbar haben die Österreicher sich lieber in Osteuropa engagiert, als den amerikanischen Schrott aufzukaufen", sagt Sinn. Allerdings rangiere Österreich an der Spitze jener Länder, deren Bankforderungen gegenüber Schwellenländern gemessen am Bruttoinlandsprodukt am höchsten seien. "Da steckt sicher ein gewisses Gefahrenpotenzial drin", räumt er ein. "Man muss aber differenzieren zwischen Direktforderungen österreichischer Geldgeber und indirekten Krediten, die österreichische Bankentöchter in den osteuropäischen Ländern vergeben haben."

Größerer Krisen-Puffer

Im Rahmen der Präsentation seines neuen Buches am Donnerstag in Berlin forderte der Wirtschaftsforscher eine Erhöhung der Eigenkapitalquote der Banken. Das Risiko für Großaktionäre, Geld zu verlieren, sei viel zu gering. Wenn die Banken ihre Eigenkapitalquote von derzeit 4 Prozent erhöhen würden, würden die Finanzmanager sehr bald mit dem Zocken aufhören.

Eine höhere Eigenkapitalquote hätte zwei positive Effekte: Einerseits hätten die Banken einen größeren Krisen-Puffer. Andererseits würden spürbare Mali die Aktionäre daran hindern, von den Managern immer riskantere Manöver zu verlangen. Wichtiger als der staatliche Eingriff in die Entlohnungssysteme der Manager sei "der Eingriff in die Belohnungssysteme der Aktionäre". Solange Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert würden, bleibe die Krisenanfälligkeit des Finanzsystems bestehen.

"Das Problem liegt nicht in der fehlenden Moral der Akteure, sondern in den falschen Anreizen, die aus der beschränkten Haftung der Banken in Verbindung mit einer allzu laschen Regulierung entstehen", so Sinn: "Weil es den Banken erlaubt ist, ihr Geschäft mit einem Minimum an Eigenkapital zu betreiben, finden sie es attraktiv, mit dem Geld ihrer Kunden auf den Weltkapitalmärkten Roulette zu spielen."

Was den Kapitalismus zum Erfolgsmodell machte - die Kapitalgesellschaft mit Haftungsbeschränkung -, sei von den "Glücksrittern" der US-Investmentbanken überdehnt worden. Hinzu komme das Versagen der Rating-Agenturen: "Durch viel zu positive Bewertungen haben sie dazu beigetragen, dass die kompliziert strukturierten "US-Schrottpapiere" weltweit Käufer fanden."

Kernkapitalquote

Kritik übte Sinn am deutschen Rettungspaket. Viele der deutschen Banken operierten heute in gefährlicher Nähe zu der gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-Kernkapitalquote von 4 Prozent. Wenn diese Quote unterschritten wird, verliert eine Bank ihre Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb. Banken können dem nur entgehen, indem sie sich entweder neues Eigenkapital beschaffen oder ihre Kredite reduzieren. Die Regierung hat ihre Hilfsmittel aber größtenteils als Bürgschaften bereitgestellt und Eigenkapitalhilfen mit Auflagen verbunden.

"Da ist es kein Wunder, dass die Banken ihr Geschäftsvolumen verringern. Bei 4 Prozent bilanzieller Eigenkapitalquote lässt sich ein Verlust von einem Prozent bei den Anlagen nur mit 25 Prozent weniger Krediten ausgleichen. Dieser Multiplikator kann der deutschen Wirtschaft zum Verhängnis werden, weil das Geld für Investitionen fehlt", erklärte Sinn.

"Da ist es ehrlicher, wenn der Staat sich an den Banken beteiligt." Staatsbeteiligungen dürfen aber nicht mit Verstaatlichung verwechselt werden. Die Rechtsform der Banken müsse privat bleiben.

Hans-Werner Sinn: "Kasino-Kapitalismus - Wie es zur Finanzkrise kam, und was jetzt zu tun ist", Econ-Verlag.