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Schlüsselrolle für die Sunniten

Von Robert Reid, AP

Politik

Nach der allen Widrigkeiten zum Trotz abgehaltenen Wahl im Irak steht ein hartes Stück Arbeit erst noch bevor: Nun müssen eine neue Regierungskoalition gebildet, eine Verfassung erarbeitet und Vertrauen gewonnen werden. Viele Sunniten folgten den Boykottaufrufen und blieben der Wahl fern. Doch ohne Unterstützung dieser Minderheit dürfte es der neuen Führung schwer fallen, breite Rückendeckung zur Eindämmung des Aufstands zu gewinnen.


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Die sunnitischen Araber stellen 20 Prozent der Bevölkerung und den Kern der Aufständischen. In den nächsten zwei bis drei Monaten müssten die Ergebnisse der Wahl nun in konkrete Politik umgesetzt werden, sagt James Robbins vom Forschungsinstitut Rand Corp. Das sei die kritischste Periode, in der die Fähigkeit zu Kompromiss und Ausgleich gefragt sei. Handelten die Sieger nach dem Motto "The winner takes it all", werde das den Irak weiter polarisieren und neue Gewalt hervorbringen.

Doch zunächst gab es im Irak kein Platz für solche pessimistischen Einschätzungen. Die Regierung zeigte sich geradezu euphorisch, dass sie die Wahl über die Bühne gebracht hat. Sie meisterte die enorme Herausforderung, eine landesweite Abstimmung inmitten eines Aufstands zu organisieren, bei dem Kandidaten ermordet, Wahlhelfer bedroht und Wahllokale in die Luft gesprengt wurden. Noch vor zwei Monaten hatten einige der jetzt frohlockenden Politiker aus Sicherheitsgründen eine Verschiebung der Wahl gefordert.

Die Beteiligung in den mehrheitlich von Sunniten bewohnten Gebieten war bescheiden und lag in den sunnitischen Städten Beiji, Samarra, Ramadi und Tikrit deutlich unter der in den schiitischen und den kurdischen Gebieten. Journalisten berichteten aus der drittgrößten irakischen Stadt Mossul, dass vor den Wahllokalen mehr Kurden als sunnitische Araber anstanden, die dort die Mehrheit stellen.

In den gemischten Stadtteilen von Bagdad und anderer Städte war der Boykottdruck geringer als im sunnitischen Kernland, die Wahlbeteiligung könnte deshalb höher gelegen haben. Es dürfte entscheidend sein, ob die Sunniten glauben, dass sie an der neuen Regierung und dem neuen Irak beteiligt werden. Die neue Führung könnte ihnen entgegenkommen und eine große Rolle bei der Ausarbeitung der Verfassung zusichern. Läuft alles nach Plan, schreibt diese die Machtverteilung zwischen den Schiiten, Sunniten, Kurden und Turkmenen fest und legt das rechtliche Fundament für eine weitere Wahl im Dezember. Sind die Sunniten überzeugt, dabei fair behandelt worden zu sein, dann könnte die Unterstützung für den Aufstand schwinden. Davon ist der Sunnit Adnan Pachachi überzeugt, der am Sonntag als Kandidat antrat. Das Wichtigste sei eine Verfassung, die von den Repräsentanten aller Bevölkerungsschichten unterzeichnet werde, meint Pachachi.