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Schlußstrich unter das Zweikonten-Modell

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Der Trick war eine Zeitlang erfolgreich, wurde sogar vom Höchstgericht akzeptiert. Als immer mehr Betriebe daran Gefallen fanden, gefiel es dem Höchstgericht nicht mehr so sehr und es setzte einen | energischen Schlußstrich: Das sogenannte Zweikontenmodell wurde als Mißbrauch verurteilt. Der Verwaltungsgerichtshof ging mit seinen Überlegungen zur steuerlichen Würdigung von Privatentnahmen | freilich weit über den Anlaßfall hinaus und verursachte damit im Unternehmerbereich heftige Aufregung. Mit einem Erlaß sucht das Finanzministerium jetzt, die Aufgeregten zu besänftigen.


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Der Anlaßfall: Ein Betrieb läßt seine Geldflüsse über zwei Bankkonten laufen. Auf dem einen läßt er die Betriebseinnahmen ansammeln, auf dem anderen läßt er die Betriebsausgaben abfließen. Vom

Einnahmenkonto tätigt der Betriebsinhaber seine Privatentnahmen; das Ausgabenkonto rutscht künstlich in die roten Zahlen, wird immer negativer und fährt mit seinen Kreditkosten zu absetzbaren

Ausgaben.

Folgenreiches Judikat

So geht das nicht, sagte das Höchstgericht: Man muß beide Konten als Einheit sehen, gegeneinander aufrechnen, und wenn dann ein durch die Privatentnahmen verursachter Debetsaldo entstanden ist,

dann sind die darauf entfallenden Kreditzinsen keine steuerlich absetzbaren Betriebsausgaben.

Die Umsetzung dieser höchstgerichtlichen Überlegung in die Praxis konnte freilich nicht auf die verurteilten Zweikonten-Tricks allein beschränkt bleiben. Sie führte zwangsläufig zu einer extensiven

Beurteilung der Privatentnahmen bzw. deren Finanzierungsvorgänge. Wobei sich die entsprechenden Würdigungen auf drei Ebenen bewegen.

In einem ausführlichen Erlaß, der in der kommenden Woche noch mit einer Expertenrunde aus dem Kreis der Wirtschaftstreuhänder diskutiert werden soll, versucht das Finanzministerium, die notwendigen

Prüfungsgrundsätze zu formulieren und für die Steuerpraxis anwendbar zu machen.

Entnahme des Betriebskredits

Prüfungsvorgang Nummer 1 soll der Würdigung der direkten kreditfinanzierten Privatentnahmen eines Unternehmers gelten. Wurde etwa ein "Betriebskredit" aufgenommen, um gleich oder bald anschließend

Privatentnahmen zu finanzieren, dann gehören auch die dadurch entstehenden "betrieblichen" Kreditkosten aufs Privatkonto.

Prüfung Nummer 2 dient der Untersuchung, ob etwa ein vom Gerichtshof verpöntes "klassisches Zweikontenmodell" vorliegt: das System der beiden gegenläufigen Bankkonten. Sobald der Verdacht entsteht,

daß die Ansammlung der Einnahmen auf dem einen Konto auf den Zeitpunkt einer privaten Finanzierung ausgerichtet ist (etwa auf den Ankauf einer Privatliegenschaft durch den Betriebsinhaber), dann wird

der bezügliche Debetsaldo nicht als betrieblich anerkannt und den Kreditkosten die Steuerabsetzbarkeit verweigert.

Prüfvorgang Nummer 3 ist der problematischeste, weil er nach Meinung von Experten bereits in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmer einzugreifen droht, ob ein Betrieb mit Eigen- oder mit

Fremdkapital finanziert wird. Hier will der Fiskus · auf der Basis der Überlegungen des Höchstgerichts · untersuchen, ob die getätigten Privatentnahmen aus vorhandenen "entnahmefähigen" betrieblichen

Geldmitteln überhaupt möglich sind bzw. waren.

Das Verwaltungsgericht vertritt dazu die Auffassung, daß einem Betrieb Privatmittel nur aus vorhandenen Betriebsmitteln entnommen werden können, also nicht etwa bloß durch Ausweitung der

betrieblichen Schulden. Und wenn dies schon der Fall wäre, müßte überprüft werden, inwieweit den so finanzierten Privatentnahmen aus steuerlicher Sicht Angemessenheit (und damit Absetzbarkeit der

dabei anfallenden Finanzierungskosten) zuzubilligen ist.

Kurz: Es geht nicht nur um die Beurteilung der im Betrieb vorhandenen "entnahmefähigen" Geldmittel, sondern auch um die Würdigung des Ausmaßes der Entnahmen. Als entnahmefähiger Mittelbestand wird im

Erlaß jener Geldbetrag definiert, der sich aus einer saldierten Betrachtung der betrieblichen Bankkonten und kurzfristigen liquiden Mittel ergibt. Wobei es unbeachtlich ist, ob der Betrieb im

betreffenden Wirtschaftsjahr gewinnträchtig ist, oder ob er überschuldet ist.

Der vom Fiskus geargwöhnte Mißbrauch besteht nun darin, daß die Privatentnahmen des Unternehmers zum entnahmefähigen Geldbestand in einem unangemessenen Mißverhältnis stehen könnten. Womit die Frage

entsteht, wann solche Entnahmen als angemessen oder unangemessen zu werten sind. Der Erlaß versucht hierzu eine "Deckelung" durch Analogiebetrachtung.

Analogien als Maßstab

Für Einzelunternehmer und Vollhafter von Personengesellschaften soll sich die Angemessenheit an vergleichbaren Geschäftsführergehältern zuzüglich einer 20%igen Unternehmerprämie orientieren. Bloße

Kapitalgeber (etwa atypische stille Gesellschafter) sollen eine angemessene Kapitalverzinsung entnehmen dürfen. Mittätige Kommanditisten können eine ihrer Tätigkeit angemessene Entlohnung entnehmen,

vermehrt um eine Haftrisikoprämie. Stellt nun ein Steuerprüfer eine im Vergleich zu den entnahmefähigen Geldmitteln unangemessene "Überentnahme" fest, dann sollen die bezüglichen Finanzierungskosten

aus der Inanspruchnahme der Fremdmittel zu keinen steuerabsetzbaren Betriebsausgaben führen.

Der Erlaß enthält auch Hinweise auf die zeitliche Anwendung der neuen "Privatentnahmen-Restriktionen". Demnach soll die kritische Beurteilung der direkten kreditfinanzierten Privatentnahmen bei allen

noch nicht rechtskräftigen Fällen vorgenommen werden.

Hinsichtlich der neuen Auffassung zum "klassischen" Zweikontenmodell und hinsichtlich der Prüfung der entnahmefähigen betrieblichen Geldmittel soll die neue Rechtsauffassung erst ab 1998 gelten und

zu keiner Berücksichtigung in den Jahren davor führen.