Kasernen, Transportfahrzeuge, Panzer. Das Bundesheer muss sparen und verkauft seit Jahren, was möglich ist.
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Wien. Verteidigungsminister Gerald Klug steht momentan mit einem für sein Ressort eher unüblichen Thema in den Medien. Eine "seiner" Kasernen, nämlich jene in Linz-Ebelsberg, soll nach dem Aufnahmestopp in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen als Notunterkunft für Asylwerber dienen. Dafür wurde sie bereits Donnerstagnachmittag inspiziert. Diese Aktion ist nicht nur aus politischer Sicht eine Zwischenlösung: Die Kaserne soll ab 2015 zum Verkauf stehen. Kein Einzelfall, trennt sich das Bundesheer schon seit Jahren von Liegenschaften und Inventar, um zu sparen.
Tatsächlich könnte man meinen, beim Bundesheer hätte schon der Schlussverkauf begonnen. Sogar kleinere Posten wie Panzerigel werden veräußert. 300 Stück dieser Panzersperren, die aus kreuzweise verschraubten Stahlträgern bestehen, werden zur Selbstabholung verkauft. Mit einem Gewicht von 360 Kilogramm pro Stück sind die Igel nicht gerade die beste Dekoration für den Garten, sollen aber nicht nur Militärfahrzeuge, sondern auch Lawinen abhalten können.
Weiters werden auch schwere Fahrzeuge, Transportwagen, Panzer und Liegenschaften verkauft. Die erwarteten Summen kamen aber bisher nicht zustande. Hoffte der ehemalige Verteidigungsminister Günther Platter noch auf eine Milliarde Euro aus Kasernenverkäufen, konnten bis 2010 nur 140 Millionen Euro aus der Veräußerung von 98 Liegenschaften lukriert werden - weit entfernt vom angepeilten Mindesterlös von 400 Millionen Euro.
2012 wechselte die 180.000 Quadratmeter große Rainer-Kaserne nahe Salzburg den Besitzer. Sie ging für 23,6 Millionen Euro an den Energydrinkriesen Red Bull, der Teile seiner Konzernzentrale in Fuschl dorthin verlegen möchte. 2013 wurde die Straub-Kaserne in Hall in Tirol für 11,7 Millionen Euro verkauft und heuer legte ein Wohnbaukonsortium 13,6 Millionen Euro für eine 12.000 Quadratmeter große Teilfläche der Biedermann-Ruth-Raschke-Kaserne im 14. Wiener Gemeindebezirk auf den Tisch. Neben dem geplanten Teilverkauf der Walser Schwarzenbergkaserne sowie der Veräußerung der Wiener Starhembergkaserne sollen auch die leer stehenden Kasernen in Baden, Pinkafeld, und der Fliegerhorst Nittner verkauft werden. An der Kaserne Oberwart hat sich jüngst das Burgenland mit 100.000 Euro beteiligt.
Wer Haus und Hof verkauft, braucht wohl auch sein Auto nicht mehr. Nach diesem Leitsatz scheint auch das Bundesheer zu handeln. Nach 100 Kürassier-Jagdpanzern, 40 Leopard-Kampfpanzern und 400 Schützenpanzern vom Typ Sauer, die in den vergangenen Jahren verkauft, verschrottet und versteigert wurden, sorgte zuletzt der Verkauf von knapp 700 Pinzgauern für Aufsehen. Die nach Lastpferden benannten Transportfahrzeuge stammen aus den Jahren 1973 bis 1980 und werden laut Ministerium "nicht mehr gebraucht".
Ausmusterung beiden "Lastenpferden"
Oberst Siegfried Albel, Obmann der Interessensgemeinschaft der Berufsoffiziere (IGBO), warnt indes im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", dass die durch den Verlust der geländegängigen Lkw eingeschränkte Mobilität des Bundesheeres "unverantwortbar" sei. "Probieren Sie mal, in einer Schneekatastrophe mit einem Bus zum Einsatzort zu kommen. Wenn kein Bus mehr fahren kann, kein Zug fährt, wie wollen Sie die Leute dort hinbringen?"
Die Pinzgauer werden seit 1971 produziert, anfangs vom damaligen österreichischen Mischkonzern Steyr-Daimler-Puch. Er ersetzt seinen Vorgänger, den ebenfalls nach einem Lasttier benannten Haflinger und ist nicht nur beim österreichischen Bundesheer in Verwendung. So besitzen etwa die Schweiz, das Vereinigte Königreich, Saudi-Arabien und Jordanien eigene Pinzgauer.
Die Lkw werden nicht nur verkauft, sondern in großem Stil ausgemustert - Fahrzeuge, die Reparaturkosten von mehr als 2000 Euro verursachen, kommen weg. Das stößt vor allem in Offizierskreisen auf Unmut. Die Fuhrparkausmusterung ist für Albel ein Fehler: "Wenn jemand ein dreißig Jahre altes Auto hat, hat er zwei Möglichkeiten. Entweder er verschenkt es oder bastelt selbst dran herum, damit es so lange wie möglich fährt. Nachdem wir uns momentan nicht diese Menge neuer Fahrzeuge leisten können, glaube ich, dass es der ökonomischste Weg wäre, die alten Fahrzeuge sparsam aber doch im Einsatz zu verwenden und sie mit eigenen Mitteln soweit instand zu halten, dass sie auch tatsächlich einsatzbereit sind."
Der "Todesstoß"für das Bundesheer
Angesichts der strikten Sparmaßnahmen spricht Erich Cubilka, Präsident der Offiziersgesellschaft, sogar vom "Todesstoß" für das Bundesheer. "Was wir erleben, ist das langsame Ausbluten dieses Patienten." Das Bundesheer könne die Hälfte seiner Aufgaben nicht mehr erfüllen. Minister Klug hofft für 2016 auf mehr Geld - viel zu spät, sagt Cubilka.
Ein weiteres Symptom der Sparmaßnahmen ist die Restrukturierung des Bundesheers mit Konzentration auf die "einsatz-wahrscheinlichsten" Aufgaben wie den Katastrophenschutz. Dies sieht Albel skeptisch. Er fragt: "Müssen Sie lernen, mit einer Schaufel umzugehen um Schnee zu schaufeln oder wie man einen Sandsack anfüllt? Niemand, der ein bisschen Hausverstand hat, muss das lernen. Was aber tatsächlich gebraucht wird, ist Manpower. Es braucht Truppen, die dafür zur Verfügung stehen." Auf lange Sicht werde sich das Bundesheer zwischen einem Schwerpunkt auf Katastrophenschutz oder Auslandseinsätzen entscheiden müssen - beides "wird’s net spielen können", sagt Albel.
Das Bundesheer hat auch Überkapazitäten, zum Beispiel 29,7 Millionen Stahlmantelpatronen. Allerdings gehören diese zu einem bereits ausgemusterten Sturmgewehr und werden deshalb ebenfalls verkauft. Angesichts von Beschwerden, dass es den Rekruten an Patronen für die Ausbildung am Maschinengewehr mangelt, ist das pure Ironie.