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Schmäh unter der Gürtellinie

Von Saskia Blatakes

Politik
Kabarettist Simplice Mugiraneza.
© Saskia Blatakes

Am 11. Mai heißt es im Vindobona "Schmäh kontra Rassismus" - Kabarett.


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Wien. Die Gürtellinie sitzt nicht immer an der gleichen Stelle. "Witze über die Schwester oder die Mutter finden Türken nicht lustig", sagt Jack Nuri, türkischer Kabarettist und Inhaber einer Autowerkstatt in Ottakring. Witze über Väter scheinen dagegen in Ordnung zu sein: "Wir nennen uns gegenseitig Bruder, weil wir nicht wissen, wer der Vater ist." Er lacht laut, wie eigentlich die ganze Zeit im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Auf ihn trifft das Klischee vom traurigen Clown nicht wirklich zu. Er ist ein notorischer Schmähführer, der schnell redet und gern über seine eigenen Witze lacht, was ziemlich mitreißend wirken kann.

Am Sonntagabend wird er im Kabarett Vindobona im 20. Bezirk gemeinsam mit Kollegen aus Burundi, Indien und Österreich unter dem Motto "Schmäh gegen Rassismus" auftreten. Außerdem erwartet die Zuschauer eine Akrobatik-Show der kenianischen Kichanga Brothers Acrobats und ein Auftritt der Wild Out Crew, die sich selbst stolz als "Multi-Kulti" bezeichnen.

"Schmäh gegen Rassismus" findet heuer zum zweiten Mal statt und war bereits im vergangenen Jahr ein ziemlicher Erfolg. Dabei war es nicht selbstverständlich, dass die Show ein zweites Mal zustande kommt: "Es ist schwierig, Kabarettisten mit Migrationshintergrund für die Show zu finden. Es gibt generell nur wenige und noch weniger haben Bühnenerfahrung", sagt die Veranstalterin Sabine Lex vom Verein Eins (Verein zur Förderung des interkulturellen Dialogs). Das erklärt auch, warum keine einzige Frau auftreten wird. "Das Programm lebt von den Geschichten, die die Kabarettisten hier erlebt haben", sagt sie. Das Publikum solle sich beim Zuhören auch selbst erwischen: "Wir wollen über interkulturelle Unterschiede und Klischees reden und zum Nachdenken anregen."

Die Angst vor dem Fremden

Besonders nachdenklich wirkt Jack Nuri nicht. Er sieht das Thema Rassismus entspannt: "Jeder Österreicher hat Angst vor dem Fremden, jeder Mensch hat Angst vor dem Fremden", meint er. Rassismus ist für ihn sicher kein österreichisches Phänomen: "Türken hassen Kurden, Kurden hassen Türken, Russen hassen Tschetschenen, Albaner hassen Serben und so weiter." Er selbst ist mit vier Jahren nach Österreich gekommen und fühlt sich hier ziemlich wohl. Obwohl man mit österreichischem Schmäh in der Türkei keine Bäume ausreißen könne, wie er kichernd erklärt. Jedes Land habe nun mal seinen eigenen Humor, wie eigentlich auch jedes Publikum. So sei er schon in Pensionistenheimen und Jugendzentren aufgetreten und habe sein Programm jedes Mal den Zuhörern angepasst: "Man muss mit dem Publikum mitgehen."

Nuri tritt seit 2008 auf und erzählt, wie alles begann: "Ich habe meine eigene Autowerkstatt in Ottakring. Damals konnte ich noch Hochdeutsch, mittlerweile habe ich es verlernt." Seinen Freunden hat er immer wieder lustige Geschichten erzählt, die er in seinem Berufsalltag erlebte. Sie hätten sich sehr amüsiert und seien der Meinung gewesen: "Du gehörst auf die Bühne!" Ob er sich an eine besonders lustige Episode erinnern kann? Und ob: Er war in seiner Werkstatt, trug seine Uniform, eine blaue Latzhose, und steckte gerade unter einer offenen Motorhaube, als ein Kunde hereinkam und fragte: "Bruder, tut’s ihr hier Autos reparieren?" Er antwortete: "Nein, Bruder, wir drehen einen Porno! Wonach sieht’s denn aus?" Wieder lacht er schallend und hat wahrscheinlich gerade unter so manche Gürtellinie getroffen.

Auch der burundische Kabarettist und Mitveranstalter von "Schmäh gegen Rassismus", Simplice Mugiraneza hat festgestellt, dass Tabus variieren. Beim Finale der Casting Show "Die große Comedy Chance" hatte er sehr explizit über Erlebnisse bei seinem ersten Sex mit einer weißen Frau gescherzt. Einigen Afrikanern sei er damit zu weit gegangen und sie hatten ihm geraten, solche Witze in Zukunft lieber wegzulassen. Die Jury war gespalten. Mit der Kritik, die er teilweise bei der Show erntete, konnte er aber gut umgehen. "Ich habe mich als Sportler gesehen, der zu den Olympischen Spielen eingeladen ist. Ich wollte vor Profis spielen und wissen, wie gut ich wirklich bin." Das positive Feedback, das ihn bis ins Finale kommen ließ, war für ihn ein Zeichen, aus dem Hobby Ernst zu machen.

Am Sonntag wird er über vor allem über das Leben als Afrikaner in Wien sprechen. Zum Beispiel, dass er immer wieder auf Englisch angesprochen wird. Er findet aber, dass oft übertrieben wird, wenn vom Rassismus in Wien die Rede ist. "Rassismus gibt es doch überall auf der Welt. Ich selbst habe in Wien selten Rassismus erlebt." Was schon häufiger vorkomme, seien Polizisten oder Drogensüchtige, die ihn für einen Dealer hielten. Doch das seien für ihn keine Fälle von Rassismus, sondern einfach Zeichen von Vorurteilen.

Auch fühle er sich nie auf seine Hautfarbe reduziert, wenn zum Beispiel vom "schwarzen Comedian" die Rede ist. "Das ist die Realität, ich bin schwarz!", lacht er. Deswegen könne er sich auch leichter mit seinen Vorbildern, den schwarzen, amerikanischen Stand-up Comedians Chris Rock oder Eddie Murphy identifizieren. Trotzdem findet er es einfacher, vor afrikanischem Publikum aufzutreten, denn die Afrikaner können über alles lachen, vor allem über sich selbst. Das österreichische Publikum sei da schon schwieriger.

Am Sonntag wird er in zehn Minuten einen Auszug aus seinem eineinhalb Stunden langen Programm "Und dann kam ich" präsentieren. Es gehöre zum Beruf, auch in kurzer Zeit die Menschen zum Lachen zu bringen. Bei der ORF-Show habe er nur vier Minuten Zeit gehabt. Sein türkischer Kollege Jack Nuri ist nicht einverstanden: "Ich mag solche Veranstaltungen nicht, wo du nur ein paar Minuten bekommst. Du wirst gerade warm mit dem Publikum und dann musst du schon wieder runter von der Bühne. Aber weil’s gegen Rassismus ist, mach ich mit!"

Am Sonntag treten die beiden ab 20 Uhr im Vindobona auf.