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Schmallippige Raubsaurier: Ihre Zähne lagen hinter einer Haut

Von Roland Knauer

Wissen

Raubsaurier mit riesigen Zähnen, die selbst aus dem geschlossenen Maul herausragen, sind Hingucker in Filmen. Falsch ist das Bild trotzdem.


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In Filmen sind Raubsaurier mit riesigen Zähnen, die selbst aus dem geschlossenen Maul herausragen, echte Hingucker. Falsch ist das Bild aber trotzdem, berichtet ein kanadisches Forschungsteam im Fachmagazin "Science".

"Raubsaurier sind ganz normale Tiere und keine Urzeit-Monster", sagt Maximilian Kellermann. Der Paläontologe forscht an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie über Dinosaurier, war aber an der Studie nicht beteiligt. "Weil für Rekonstruktionen den Funden oft die Haut eng über den Schädel gezogen wurde, ohne weiches Gewebe zu berücksichtigen, das vielen Teilen des Gesichtes seine Form gibt, sehen viele längst ausgestorbene Tiere gefährlich aus", sagt er. Jahrmillionen nach dem Tod bleiben oft nur harte Körperteile erhalten. Die Zähne der Raubsaurier sind auffällig lang, eine möglicherweise darüber liegende Haut war aber längst in ihre Bestandteile zerfallen. Daraus wurde bisher gefolgert, dass die Beißer von Tyrannosaurus rex und seiner Verwandtschaft, ähnlich wie bei den nächsten Verwandten, den Krokodilen, aus dem geschlossenen Maul herausragten.

Schutz durch die Lippen

Obendrein haben auch Vögel, die aus Sicht der Evolutionsbiologie sogar direkt zu den Dinos gehören, keine Lippen. Die Gruppen eignen sich nur bedingt für einen Vergleich: "Heutigen Vögeln fehlen die Zähne - und Krokodile haben sich in 250 Millionen Jahren Entwicklung an ein Leben im Wasser angepasst", erklärt Kellermann.

Anders als an der Luft müssen Zähne im Wasser nicht vor dem Austrocknen geschützt werden: Deren "Zahnschmelz" genannte äußerste Schicht enthält nämlich geringe Mengen Wasser, die diese harte Substanz stabilisieren. Um Schäden vorzubeugen, halten die Lippen von Landwirbeltieren die Feuchtigkeit im Maul. "Nur einige Landwirbeltiere, wie Krokodile und Fluss-Delfine, die ins Wasser zurückgekehrt sind, verzichten auf diesen Schutz", sagt Kellermann.

Schon seit einigen Jahren keimte der Verdacht, dass Raubsaurier ihr Gebiss ebenfalls mit einer Haut vor dem Austrocknen geschützt haben könnten. Aber erst jetzt liefert das Team um Robert Reisz von der University of Toronto gleich drei stichhaltige Argumente. So gibt es neben den ausgestorbenen Raubsauriern mit heute lebenden Waranen eine weitere an Land lebende Gruppe von Reptilien, die im Vergleich mit ihren Schädeln auffallend lange Zähne haben. Trotzdem ragt das Gebiss bei keiner Art der Warane aus dem geschlossenen Maul heraus.

Besonders groß und kräftig sind die Zähne bei den oft über zwei Meter langen Papua-Waranen, die auf Neuguinea leben. "Vom Aussehen des Schädels würde man bei diesen Tieren nicht erwarten, dass die Zähne von Lippen bedeckt werden", erklärt Kellermann.

Als das kanadische Team jedoch Raubsaurier mit Waranen verglich, wichen Gebiss- und Schädelgröße kaum voneinander ab. Trugen T. rex und seine Verwandtschaft ihre riesigen Zähne also nicht offen wie Krokodile? Darauf deutet der Zahn eines Daspletosaurus aus dem Royal Tyrrell Museum in Drumheller hin. Diese Tiere waren eng mit T. rex verwandt, mit einer Länge von acht bis neun Metern aber kleiner.

Der untersuchte Zahn war lange benutzt worden, hatte aber deutlich geringere Abnutzungsspuren als der Zahn eines Krokodils, dessen Schmelz auf der Außenseite stark abgeschliffen war. Auch das ist ein Hinweis auf ausreichend Feuchtigkeit in einem geschlossenen Maul, die den Zahnschmelz stabilisiert. Zudem gibt es Löcher im Kieferknochen für Blutgefäße, die außen liegendes weiches Gewebe wie Lippen versorgen, deren Anordnung sich bei Raubsauriern und Waranen ähnelt, während beide sich vom Krokodil-Design unterscheiden. Alles deutet also darauf hin, dass die zweifellos gefährlichen Dinos auf zwei Beinen weniger martialisch aussehen, als sie bisher oft dargestellt wurden.