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Schmerzengeld, wenn Kind nicht angegurtet ist?

Von Gernot Stöger

Wirtschaft
Kinder unter 1,50 Meter Größe müssen im Auto mit einem Sitz gesichert werden.Foto: bb

Schnallen Eltern Kinder nicht an, steht ihnen trotzdem volles Schmerzengeld zu. | Höchstgericht lehnt Mitverschulden eines Kleinkindes ab. | Wien. Hat ein Kind vollen Anspruch auf Schmerzengeld, wenn es bei einem Autounfall nicht angeschnallt ist? Bis zum Obersten Gerichtshof kam ein Fall, bei dem ein zwei Monate altes Baby samt Kindersitz aus dem Fahrzeug seiner Eltern geschleudert und schwer verletzt wurde. Der Sitz war nicht ordnungsgemäß befestigt, das Kleinkind nicht angeschnallt.


Für die Haftpflichtversicherung war die Sache klar: Bei einem Unfall war der Verletzte auf dem Rücksitz nicht ordnungsgemäß angegurtet - also musste sich der Anspruch auf Schmerzengeld verringern. Dies sieht das Gesetz für jeden Fahrzeuginsassen vor, der bei einem Unfall verletzt wird und den Sicherheitsgurt nicht vorschriftsmäßig angelegt hat - egal ob am Vorder- oder Rücksitz. In der Regel werden 20 Prozent vom Anspruch abgezogen.

Versicherung verlor Prozess gegen Eltern

Dass es sich beim Unfallopfer um ein erst zwei Monate altes Baby handelte, schien die Versicherung nicht zu stören: Sie klagte die Eltern des Kindes und deren Haftpflichtversicherung, das Gericht sollte die verminderte Leistungspflicht feststellen.

Die Gerichte sahen das anders - und auch beim Obersten Gerichtshof, bei der Fall schließlich landete (2Ob 252/07h), blieb die Versicherung erfolglos: Sie verlor den Prozess, musste das Schmerzengeld ohne Abzug bezahlen und die Prozesskosten berappen.

Zwar stand fest, dass von einer ordnungsgemäßen Absicherung des Kleinkindes keine Rede sein konnte. Denn das Baby saß zwar in einem altersgerechten Kindersitz, der aber nicht korrekt befestigt war.

Zudem war das Kleinkind nicht angeschnallt. Dies verstößt eindeutig dem Paragrafen 106 des Kraftfahrzeuggesetzes, wonach Kinder unter einer Körpergröße von 150 Zentimetern nur unter Verwendung von Rückhaltevorrichtungen befördert werden dürfen, die der Größe und dem Gewicht des Kindes entsprechen.

Kein Einfluss auf Höhe des Schmerzengeldes

Ein Verstoß gegen diese Vorschrift - wie er im konkreten Fall eindeutig vorlag - hat allerdings keinen Einfluss auf den Schmerzengeldanspruch des Kindes.

Die Norm über die Beförderung von Kindern richtet sich an den Fahrzeuglenker und nicht an das Kind selbst. Für Kinder unter 14 Jahren scheidet ein Mitverschulden nämlich von vornherein aus.

Die Ansprüche des Kindes werden auch dann nicht vermindert, wenn der Lenker (und gesetzliche Vertreter) massiv gegen die Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes verstoßen hat, dem verletzten Kind steht das Schmerzengeld in voller Höhe zu.

Für den Vater hat die Sache trotzdem ein Nachspiel: Er muss mit einer Eintragung in die Verkehrssünderkartei rechnen. Zusätzlich könnte ihm eine Nachschulung blühen, in der er belehrt wird, wie man Kleinkinder sichert.

Dr. Gernot Stöger ist ehemaliger Richter und war zuletzt als Vorsteher des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha tätig.