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Für die ÖVP ist heute wohl die Stunde der Wahrheit gekommen: Wenn nicht noch ein großkoalitionäres Wunder geschieht, wird sich die Volkspartei - indirekt, aber doch - in ihrem Bundesparteivorstand für den Gang in die Opposition entscheiden. Die Schwarzen wollen es offensichtlich der SPÖ überlassen, das Scheitern der Verhandlungen über eine große Koalition zu besiegeln.
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Allerdings ist auch dann noch längst nichts fix. Für die ÖVP würde der Abschied von der Regierung eine fast schon historische Zäsur bedeuten: Seit 1986 ist man ununterbrochen - sei es als Juniorpartner der SPÖ oder als Kanzlerpartei mit Blau/Orange - an den Schalthebeln der Macht. Die heute aktiven ÖVP-Politiker kennen die Oppositionszeiten quasi nur vom Hörensagen. Wie schwer in Österreich den Großparteien der Abschied von der Macht fällt, ließ sich exemplarisch am Beispiel der SPÖ im Jahre 2000 beobachten: Die Partei musste erst mühsam wieder das politische Handwerk ohne Rückgriffe auf Ministerien und Kabinette erlernen. Es dauerte mehr als ein Jahr, bis die SPÖ wieder Tritt gefasst hatte. Und so richtig wohl hat sich die Partei bis ganz zum Schluss nicht in ihrer Oppositionsrolle gefühlt.
Vieles spricht dafür, dass die Opposition der ÖVP noch schwerer fallen wird als damals der SPÖ - einzig die finanzielle Situation der Volkspartei dürfte um einiges rosiger aussehen als jene der Roten nach der Ära Klima. Politisch jedoch konnte sich die SPÖ zumindest mit Arbeiterkammer und Gewerkschaften auf zwei Institutionen stützen, die Sachexpertise und Personal zur Verfügung stellen konnten. Vergleichbare "Think tanks" kann die Volkspartei in der jetzigen Situation nicht aufbieten.
Die Wirtschaftskammer brilliert vielleicht als Service-Einrichtung für die Unternehmen, gesellschaftspolitische Konzeptarbeit wird hier jedoch schon lange nicht mehr geleistet. Die notwendigen Ressourcen dafür fielen dem Sparstift diverser Kammerreformen zum Opfer. Diverse Versuche, neue Strukturen außerhalb der Kammer neu aufzubauen, scheiterten oder verliefen weitgehend ergebnislos im Sand.
Fast noch schlimmer steht es um bürgerliche Denkwerkstätten aus Arbeitnehmerperspektive. Der ÖAAB scheint fest in Beamtenhand und auch im Familien- und Frauenbereich ist von zeitgemäßen Gegenentwürfen zum linksliberalen Mainstream weit und breit nichts zu hören. Es gibt auch niemanden, der darüber nachdenken und politische Konzepte erarbeiten könnte. Einzig und allein die Bauern glänzen in der ÖVP mit höchst professioneller Denkarbeit.
Aber noch ist zum vermeintlich sicheren Gang der ÖVP in die Opposition nicht das letzte Wort gesprochen. Immer dann, wenn es tatsächlich ernst wird, melden sich nämlich diejenigen Kräfte in der Partei lautstark zu Wort, die darunter am meisten leiden würden. In diesem Fall etwa Wirtschaft und Beamte. Ob sie auch diesmal noch das Ruder herumreißen können?