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Thomas Schmid entschlägt sich im ÖVP-U-Ausschuss bei jeder Frage. Als Folge werden hohe Beugestrafen beantragt.
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Die Aufregung war in dem vollen Raum kaum auszuhalten. Vor allem in einem Teil des vollen Raumes blickte man in besonders angespannte Gesichter. Dort standen die Pressefotografen und wussten, dass sie nur wenige Sekunden Zeit haben werden, um ein Foto jenes Mannes zu schießen, der seit Jahren mit denselben zwei Fotos bebildert wird. Ob Thomas Schmid, der ehemalige Generalsekretär des Finanzministeriums und Ex-Öbag-Chef, einen Kameraschwenk erlaubt, war zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt. (Er erlaubte es nicht.) Das Medieninteresse am ÖVP-U-Ausschuss war an diesem Tag derart groß, dass man im Ausschusslokal zusätzliche Sessel aufstellen musste, die auch alle besetzt waren.
Die Anspannung im Sitzungssaal endete aber schon nach den ersten Sätzen Thomas Schmids. In einem sehr juristischen Statement kündigte dieser an, dass er sich jeder Frage entschlagen werde, weil seine Befragung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) noch nicht beendet wurde. Schmid befürchtet, dass er seine Chancen gefährde, Kronzeuge zu werden, wenn er die Fragen der Fraktionen beantwortet. Er entschlage sich, um sich keinen neuen strafgerichtlichen Ermittlungen auszusetzen, wiederholte er wieder und wieder. Vorsitzende Doris Bures (SPÖ) und Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl sahen das anders: Er könne sich nicht verfolgbar machen, wenn er schon gestanden hat, der Entschlagungsgrund gelte also nicht.
Dauerentschlagung kommt vor Bundesverwaltungsgericht
Die Folge: Nach jeder Frage gab es eine Entschlagung von Schmid, die vom Verfahrensrichter eingeordnet werden musste. In den meisten Fällen verneinte dieser eine Entschlagungsmöglichkeit und bat Schmid um eine Antwort. Dieser verweigerte noch einmal, woraufhin der Verfahrensrichter einen Antrag auf eine Beugestrafe empfahl. Für jede Frage, die Schmid unrechtmäßig unbeantwortet ließ, muss der Ausschuss einen eigenen Antrag stellen. Die Strafe: 1.000 Euro pro Frage. Die Rechnung könnte also ordentlich hoch werden. Wie hoch, kann allerdings erst erhoben werden, wenn das vorläufige Protokoll vorliegt. Es steht derzeit eine Zahl von rund 50 Entschlagungen im Raum. Wie genau es hier weitergehen könnte, war nach der Befragung selbst unter den Juristen und Juristinnen der Parteien und Parlamentsdirektion Gesprächsthema. Schmids Anwalt Roland Kier hat in einer kurzen Unterbrechung gegenüber Journalisten schon angekündigt, mit den Beugestrafen durch alle Instanzen bis vor das Bundesverwaltungsgericht gehen zu wollen.
Neos stimmen Verlängerung des U-Ausschusses zu
Das ist ein Spiel auf Zeit, denn wenn das Bundesverwaltungsgericht zu keiner Entscheidung kommt, bevor der ÖVP-U-Ausschuss am 7. Dezember endet, wird das Verfahren am nächsten Tag eingestellt und Schmid müsste die Strafe nicht bezahlen. Mit einer Frist von vier Wochen und einer wahrscheinlichen Einreichung des Antrags Ende nächster Woche wird das denkbar knapp.
Damit das nicht passieren kann, hat Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper im Anschluss an die Befragung eine Verlängerung des U-Ausschusses in den Raum gestellt, wenn das Bundesverwaltungsgericht (und der Verfassungsgerichtshof) nicht schnell genug entscheiden sollten. Die Neos tun das, um Schmid nach den Entscheidungen noch einmal vorladen zu können, ein dementsprechender Antrag soll noch am selben Tag von allen Fraktionen eingereicht werden. Krisper bleibt aber auch bei ihrer Meinung, dass man schon jetzt genug über korruptive Bestellungsprozesse und Auftragsvergaben erfahren habe, um hier Reformen auf den Weg zu bringen.
ÖVP sieht sich nach Befragung bestätigt
Die Parlamentsfraktionen gingen zwar davon aus, dass Schmid gekommen sei, um zu reden - Jan Krainer (SPÖ) sprach von einem Geständnis -, von seinem Schweigen wurden sie aber nicht übermäßig überrascht. Die SPÖ änderte sofort ihre Taktik und zitierte lange aus den Befragungsprotokollen der WKStA, um es ins Protokoll zu bekommen. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker war über den Auftritt Schmids derart verärgert, dass er kurzer Hand meinte, Thomas Schmid sei so unglaubwürdig, dass er es gar nicht verdient habe, Kronzeuge zu werden.
Nina Tomaselli dürfte so etwas schon geahnt haben: Im Vorfeld sprach sie davon, dass Sebastian Kurz und Thomas Schmid das "Fundament der Demokratie" beschädigt hätten. Sie erwarte sich nicht, dass Schmid hier sei, um dieses Fundament zu reparieren, sondern es ihm hier nur ums eigene Fortkommen gehe. "Ich habe es schon am Vormittag gesagt", meinte sie im Anschluss an Schmids Befragung.
Bestätigt sieht sich die ÖVP: Fraktionsführer Andreas Hanger nannte Schmid schon vor der Befragung "einen Lügner", die Frage sei nur, "wen er angelogen hat". Dass Schmid unter Wahrheitspflicht nicht bereit war, seine Anschuldigungen zu wiederholen, ist für ihn ein Zeichen, dass sie nicht stimmen. Fragen zur angeblichen Intervention Wolfgang Sobotkas bei Steuerprüfungen wurden vom Richter aber nicht zugelassen.
Die zweite Befragung des Tages, die der früheren Kabinettschefin Werner Faymanns, verlief ohne gröbere Vorkommnisse. Die Beamtin beantwortete alle Fragen genau und umfangreich, konnte aber wenig über die Vorgänge der ÖVP berichten. Die SPÖ stellte fest, dass sie zum U-Gegenstand nichts sagen könne und ihre Ladung "sinnlos war".
Die meisten Fotografen und Kameraleute waren da schon weg. Und die noch anwesenden Fotografen im Gegensatz zur Früh ganz entspannt.