Seit mehr als einer Woche hält nun der Lehrerstreik die Innenpolitik im Griff. Dabei ist seit Ausbruch kaum Bewegung festzustellen - und falls es sie doch gibt, so ist sie zumindest nicht mit freiem Auge auszumachen. Seinen Reiz bezieht der Konflikt um die Verlängerung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrer im Ausmaß von zwei Stunden wöchentlich vor allem aus seiner faszinierenden Vielschichtigkeit. | Wer hier nur politisch simpel gestrickte Muster wie Reformminsterin vs. Betonierer-Gewerkschaft und Kinderzukunft vs. Sparbudget zu erkennen vermag, dem entgeht ein Gustostückerl der für Österreich so typischen Vielschichtigkeit politischer Konfliktkonstellationen.
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In der SPÖ bietet sich jetzt etwa all jenen, denen der Stil der neuen Führung unter Werner Faymann missfällt, erstmals die Möglichkeit, diesem eins auszuwischen. Zumal sich die Partei im Gefolge der Verluste in Kärnten und Salzburg wieder in einer medialen Negativspirale gefangen sieht und nach authentischer sozialdemokratischer Profilierung lechzt. Die Unterrichtsministerin scheint am besten Weg, zur neuen Fahnenträgerin hochstilisiert zu werden für alle, denen der pathosfreie "Genug-gestritten"-Pragmatismus Faymanns ein Dorn im Auge ist.
In der ÖVP haben dagegen nicht wenige geglaubt, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer politisch aus einer anderen Generation stammt. Dessen gesamtes Politikverständnis passt in seiner Ruppigkeit und unverblümten Direktheit nicht mehr zum Politikstil der neuen Zeit. Ihn, den bisher unbesiegten Beamtenvertreter, fallen zu sehen, würde gar manchen in den schwarzen Reihen ein Lächeln auf die Lippen zaubern - durchaus nicht nur beim "Klassenfeind", dem Wirtschaftsbund. Und falls doch Neugebauer die Oberhand behalten sollte, ließe sich so vielleicht doch noch das ungeliebte SPÖ-Projekt Gesamtschule verhindern.
Werner Faymann und Josef Pröll tun gut daran, die Eskalationsdynamik dieses Konflikts nicht zu unterschätzen. Beide könnten persönlich schwerer beschädigt daraus hervorgehen, als sie sich heute vielleicht noch vorzustellen vermögen.