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Schmutzige Wahlkampftricks

Von Werner Reisinger

Politik

Täuscht die FPÖ Telefon-Umfragen vor, um Wähler zu manipulieren?


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Wien/Salzburg. Als Josef Brunsteiners Handy vergangenen Samstag klingelte und sich ein junger Herr meldete, der mit ihm eine Umfrage zur Bundespräsidentschafts-Stichwahl am Sonntag machen wollte, dachte sich der Salzburger Geografieprofessor nicht viel und willigte ein. Telefonumfragen sind in Vorwahlzeiten ja nichts Ungewöhnliches, und schließlich gab der Anrufer an, diese im Auftrag der Statistik Austria durchzuführen.

Die äußerst tendenziösen Fragen aber ließen Herrn Brunsteiner schnell zweifeln, ob sein Interviewer, der zudem mit unterdrückter Nummer anrief, tatsächlich von der Statistik Austria sei - was dieser aber auf Nachfrage weiterhin behauptete. Ob nicht Hofer aufgrund seines jüngeren Alters geeigneter wäre als Alexander Van der Bellen, Österreich im Ausland zu vertreten, wollte der junge Mann am anderen Ende der Leitung wissen. Ob er, Brunsteiner, hoffe, dass Norbert Hofer es schaffen wird, Österreich aus der EU zu führen? Dem Befragten wurde es zu bunt, er legte auf und beschwerte sich tags drauf ob des manipulativen Interviews bei der Statistik Austria. Von dort musste er aber erfahren, dass die staatliche Statistikbehörde keinerlei telefonische Umfragen durchführt - abgesehen von statistischen Erhebungen, bei denen die Teilnehmer aber vorab schriftlich informiert werden und selbstverständlich auch wissen, mit wem sie es am Telefon zu tun haben.

Neue Masche: "Push Polling"

Wer also steckt hinter dem seltsamen, manipulativen Interview wenige Tage vor der Stichwahl? Brunsteiner versuchte, die Identität des Anrufers bei seinem Handy-Provider herauszufinden - ohne Erfolg. Auch die Rundfunk- und Telekom-Regulierungsbehörde RTR konnte die Nummer des Anrufers nicht herausgeben - aufgrund des Datenschutzgesetzes seien der Behörde die Hände gebunden, hieß es auch auf Nachfrage der "Wiener Zeitung".

Josef Brunsteiner aber ist sich sicher: Das "Interview" sei im Auftrag der FPÖ durchgeführt worden, die inzwischen zu immer schmutzigeren Tricks greifen würde, um ihrem Kandidaten Norbert Hofer am Sonntag zum höchsten Amt im Staat zu verhelfen. Möglich, aber nicht sicher, sagt der Politikexperte Thomas Hofer. Was Brunsteiner nicht wusste: Die "schmutzige" Wahlkampfmethode ist nicht neu, kommt aus den USA und heißt "Push Polling". Die Wahlkampfbüros der Kandidaten rufen dabei unter dem Vorwand, eine normale Umfrage durchführen zu wollen, bei Sympathisanten des Gegenkandidaten an, stellen tendenziöse Fragen und behaupten falsche Tatsachen - mit dem Ziel, das Gegenüber in seiner Präferenz zu verunsichern und möglicherweise zum Umdenken zu bewegen.

"Push Polling" gehöre zu den übelsten Methoden des "Dirty Campaigning", erklärt Politikexperte Hofer. Davon unterscheiden müsse man das "Negative Campaigning", also das gezielte Ausnutzen von Schwächen im Lebenslauf des Kontrahenten. Vorwürfe, wonach Parteien Push Polling betrieben hätten, habe es in Österreich schon bei den Nationalratswahlen 2006 und bei der Wienwahl 2010 gegeben - nachweisen konnte man dies damals jedoch nicht. "Um Dirty Campaigning effektiv betreiben zu können, brauchen die Wahlkämpfer den Schutz der Anonymität", erklärt Hofer. Wichtig sei, dass die Spur zum Urheber der Kampagne nicht zurückverfolgt werden könne. "Ist der Initiator ausforschbar, fällt die Kampagne auf ebendiesen zurück - rechtliche Konsequenzen inklusive." Gegen geschickt gemachtes Dirty Campaigning könne der geschädigte Politiker kaum effektiv vorgehen, so Hofer. Öffentliches Dementieren verschaffe den Kampagnen nur noch mehr Aufmerksamkeit, an die Adressaten könne man zwecks Klarstellung auch nicht herankommen.

Tricks wie das "Push Polling" sind laut Hofer jedenfalls auch in Österreich auf dem Vormarsch. Grund dafür sind die vielfältigen medialen Möglichkeiten für Wahlkämpfer. Vor allem im Internet und in sozialen Medien finden sich massenweise (anonyme) Verleumdungen, Gerüchte und Anschuldigungen, die, einmal gepostet, schnell tausende Empfänger finden.

Veraltete Gesetzeslage

Rechtliche Handhabe gibt es, was Push Polling betrifft, kaum. Diese Erfahrung musste auch Josef Brunsteiner machen, der versuchte, den anonymen Anrufer anzuzeigen - um mit der Anzeige vielleicht doch noch die Herausgabe der Identität des Anrufers zu erzwingen. Vergeblich, die Polizei erklärte sich für nicht zuständig, und um die Nummer herauszufinden, sei ein Gerichtsbeschluss notwendig.

Grundsätzlich seien Manipulation und Wählertäuschung in den Paragrafen 263 und 264 des Strafgesetzbuches geregelt, erklärt Simon Tucek von der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Georg Zanger. Wer falsche Nachrichten kurz vor einer Wahl verbreitet, sodass eine Richtigstellung nicht mehr möglich ist, kann dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu einem halben Jahr kassieren. "In der Praxis kommt das aber so gut wie nie vor. Die Staatsanwaltschaften lassen es erst gar nicht zu einer Untersuchung kommen", sagt Tucek.

Die gesetzliche Regelung, was Dirty Campaigning betrifft, ist veraltet. Seit dem Inkrafttreten 1975 wurden die beiden Paragrafen nicht novelliert. "Eine eindeutige Regelung, welche Methoden im Wahlkampf zulässig sind und welche nicht, ist nötiger denn je", weist auch Tucek auf die teils "schmutzige" Praxis der Parteien vor allem in sozialen Netzwerken hin. Von der FPÖ gab es am Donnerstag keine Stellungnahme zu den Vorwürfen: Martin Glier, Norbert Hofers rechte Hand im Wahlkampf, war für die "Wiener Zeitung" bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.