1300 Tonnen chemischer Kampfstoffe sind mittlerweile aus Syrien abtransportiert, Produktionsanlagen funktionsunfähig - mit österreichischer Hilfe.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien/Damaskus. "Österreich hat sich in zentralen Funktionen am Abbau der syrischen Chemiewaffen beteiligt", erklärte Verteidigungsminister Gerald Klug am Dienstag vor Journalisten lobend - und das nicht ohne eine gewisse Genugtuung. Klug selbst erinnerte daran, dass er vor knapp einem Jahr einen Brief an US-Verteidigungsminister Chuck Hagel gesendet hatte, in dem er diesem zwanzig österreichische ABC-Experten zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen angeboten hatte. Dafür wurde er damals vom Außenministerium, mit dem der Brief nicht abgesprochen war, wie ÖVP und Grüne gescholten. "Peinlich", ein "Anbiedern an die USA", hieß es von dort, sowie "falsche Adresse" - denn wenn, dann seien die Vereinten Nationen zuständig.
Ein österreichischer ABC-Experte wurde schließlich zur Unterstützung der Operation herangezogen. Seit Jänner war Hauptmann Peter Glittenberg erst im Hauptquartier der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag und im Juni in der syrischen Hauptstadt Damaskus stationiert, um als Logistikoffizier an der Vernichtung der Kampfstoffe mitzuwirken.
Container mit GPS-Tracker
Syrien war Mitte September auf internationalen Druck der UN-Chemiewaffenkonvention beigetreten, nachdem im vorigen Sommer im Bürgerkrieg mehr als 1400 Menschen durch Chemiewaffeneinsatz ums Leben kamen. Die in der Konvention vorgesehene Zerstörung der syrischen C-Waffenbestände wurde von der internationalen Gemeinschaft übernommen, der Abtransport der Chemikalien fiel - unter Aufsicht der OPCW - in die Zuständigkeit von Damaskus.
Insgesamt wurden in einem aufwendigen Prozess zwischen Jänner und Juni rund 1300 Tonnen Kampfstoffe aus zwölf Lagerstätten in den Großräumen Damaskus und Homs in zwanzig Transporten zum syrischen Seehafen von Latakia geliefert. Aufgrund der Gefechte zwischen der syrischen Armee und verschiedenen Rebellengruppen mussten Transporte immer wieder verschoben werden, berichtet Glittenberg, der in einem von der syrischen Regierung kontrollierten Stadtteil Damaskus wohnte. Jeder Container - wie auch die beteiligten Personen des OPCW-Teams - waren mit einem GPS-Tracker versehen. Die Syrer hätten den heiklen Transport durch tagelange Aufklärung der Strecke im Vorfeld gesichert. Die versiegelten Container selbst rollten meist in den Nachtstunden Richtung Meer.
In Latakia wurden sie auf zwei Schiffe verladen. Bereits am 23. Juni konnten die letzten deklarierten Bestände - die Offenlegung erfolgt auf freiwilliger Basis - an Chemikalien abtransportiert werden. Sie werden derzeit im Mittelmeer auf einem US-Spezialschiff hydrolysiert. Dieser Prozess wird nach Angaben von Hauptmann Glittenberg noch bis zu 90 Tage dauern.
Parallel mit dem Abtransport wurden Chemiewaffen-Produktionsanlagen in Syrien - zumeist unterirdische Bunkeranlagen, aber auch mobile Mischanlagen - funktionell zerstört, genauso wie Trägersysteme, etwa Scud-Raketen. "Dabei werden Bomben einfach zerschnitten, Teile abgehackt, oder man fährt mit der Schubraupe drüber", erklärt Glittenberg.
Verhandlungen mit Damaskus
Gänzlich beendet ist die Arbeit damit noch nicht. Da die UN-Konvention neben der funktionellen Zerstörung der Produktionsanlagen - diese ist bereits abgeschlossen - auch deren vollkommene physische Vernichtung, etwa durch Sprengung, vorsieht, wird die Arbeit der OPCW erst Mitte nächsten Jahres beendet sein, sagte Glittenberg. Derzeit gäbe es diesbezüglich Gespräche mit syrischer Seite, die aber zuletzt ins Stocken geraten seien. Die Syrer würden Teile von unterirdischen Anlagen erhalten wollen, da diese auch als Waffendepots verwendet würden.
Trotz des anfänglichen Tumultes um die Entsendung österreichischer ABC-Experten, die wohl auch dem Abzug der österreichischen Soldaten vom Golan kurz davor und dem Wahlkampf geschuldet war, scheint Minister Klug höchst zufrieden mit dem Beitrag Österreichs. "Die heimische Expertise ist international sehr hoch angesehen", sagte Klug. Der Beitrag sei wichtig, da Chemiewaffen in kürzester Zeit in die falschen Hände fallen und so auch zu einer Bedrohung Europas und Österreichs werden könnten.
Was bei dem Minister-Briefing offenblieb, war der Inhalt einer dunkelblauen Mappe mit der vorgedruckten Aufschrift "United States of America Embassy", die Minister-Sprecherin für Sport, Anja Richter, in der Hand hielt, als sie die Journalisten begrüßte. Ob darin die Antwort Hagels, von der nie gehört wurde, lag, bleibt somit unbeantwortet.