Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu - mit Chancen und Risiken.
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Wien. Gesucht: Koch/Köchin. Tausendfach ist dieses Inserat über das Arbeitsmarktservice abrufbar. Gesucht werden Jungköche und Chefköche, Beiköche und Küchenchefs, Pizzaköche und Konditoren, die gesamte Bandbreite eben. Das ist die eine Seite. Die andere listet das AMS jeden Monat bei der Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten auf. Im Jänner stieg die Zahl der Beschäftigungslosen in dieser Branche um fast 13 Prozent im Vergleich zum Jänner des Vorjahres an.
Auch in anderen Branchen des Dienstleistungssektors sind die Arbeitslosenzahlen im Jahresvergleich überproportional gestiegen. Insgesamt waren im Jänner 449.668 Menschen ohne Job, was einem Plus von 9,5 Prozent entspricht, der Handel (13,1 Prozent) und die Gesundheitsberufe (14,7 Prozent) lagen aber noch deutlich darüber.
Demgegenüber steht, wie im Gastgewerbe, eine relativ gesehen hohe Zahl an Stellenangeboten. Wie passt das zusammen? Was diese Branchen eint, ist ihre große Dynamik. Es entstehen viele neue Jobs, und das heizt wiederum die Nachfrage an. Zudem herrscht in all diesen Branchen eine hohe Fluktuation, und so dreht sich die Spirale in diesen Sparten schneller als anderswo.
Die Mikroperspektive in Tirol offenbart dies recht anschaulich. Seit Jahren intensiviert sich dort der Tourismus, auch die Wirtschaftskrise konnte das Wachstum nur verlangsamen, aber nicht aufhalten. Im Vorjahr konnte erstmals die Zehn-Millionen-Marke geknackt werden. Seit dem Jahr 2003 entspricht das einem Plus von 30 Prozent.
Verdrängung oder
doch nur Ersatz?
Das Wachstum bedingte einen großen Bedarf an Arbeitskräften, der durch heimische Fachkräfte nicht gedeckt werden konnte. Vor allem aus dem Osten Deutschlands kamen Zehntausende nach Tirol und heuerten in den Hütten und Hotels an. Nun aber vernimmt Tirol einen Prozess der Ablöse, auch wenn diese Entwicklung noch ganz jung ist. Seit sich der Arbeitsmarkt gen Osten geöffnet hat, kommen immer mehr ungarische Fachkräfte nach Tirol. Findet hier Verdrängung statt?
Noch sind es nur erste, zarte Signale. Doch Helmut Soukopf vom AMS Tirol sagt: "Die Deutschen gehen in andere Branchen, und dieses Vakuum wird gefüllt." Der Tourismus ist eben nicht gerade familienfreundlich, viele von jenen, die vor einigen Jahren des Gastgewerbes wegen nach Österreich gezogen sind, schauen sich nun nach Alternativen um.
Auch im Handel und in den Gesundheitsberufen ist die Fluktuation hoch. "Junge bleiben nicht so lange in diesen Jobs", erklärt Johannes Kopf, der Vorstand des Arbeitsmarktservice. Nicht immer lässt sich daher von Verdrängung sprechen, eher von Ersatz, wie Kopf meint. "Es verlassen einfach auch viele diese Branchen. Wo es aber ganz sicher Verdrängung in Österreich gibt, ist in Tagespendeldistanz zu Ungarn, wo besser Qualifizierte geringer Qualifizierte verdrängen." Kopf sagt jedoch auch: "Weniger Qualifizierte in den Jobs zu halten, kann auch nicht die Lösung sein."
Die Dynamik herauszunehmen, ist für den Gesetzgeber kaum möglich, und vielleicht auch gar nicht sinnvoll."Man ist ja auch froh, dass es diese Stellen gibt", sagt der Ökonom Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte vom Institut für Höhere Studien. Wo die Dynamik hoch ist, gibt es immer auch Chancen. Oder, wie ein AMS-Mitarbeiter auch sagt: "Im Handel geht immer was". Es sind aber eben Jobs, die nicht gerade begehrt sind, weil sie anstrengend und schlecht bezahlt sind.
Viele neue Jobs sind
keine Vollzeitstellen
"Wenn man die Arbeitsbedingungen ein bisschen verbessert, werde ich auch Leute haben, die länger in diesen Jobs bleiben", sagt Hofer. Das wachsende Angebot durch den nun schon recht großen EU-Binnenarbeitsmarkt reduziert allerdings die Notwendigkeit für die Betriebe, Verdienst und Arbeitsbedingungen signifikant zu verbessern. So liegt beispielsweise im Gastgewerbe das Lohnniveau im Osten des Landes, gerade bei Köchen, unter jenem im Westen Österreichs.
Im Handel hat die Dynamik ebenfalls zugenommen. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind viele Jobs in dieser Branche entstanden, allerdings hält das Arbeitsvolumen, also die kumulierten Arbeitsstunden, mit der Zahl der zusätzlichen Jobs nicht stand. Anders formuliert. Es gibt zwar mehr Jobs, aber vor allem auf Kosten der Vollzeitanstellungen. "Es wird auch nun öfters befristet beschäftigt", sagt Tirols AMS-Chef Anton Kern.
Rekordarbeitslosigkeit
und Rekordbeschäftigung
Eine weitere Konsequenz der zunehmenden Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist die schwierige Planbarkeit für die Politik, um Angebot und Nachfrage einigermaßen in Balance zu halten. Groß angelegte Umschulungsprogramme mögen wirken, aber sie wirken mit Verzögerung, da hat mitunter der EU-Arbeitsmarkt längst darauf reagiert. Und dann ist gerade im Gesundheitsbereich auch die Frage nach der Leistbarkeit eine wesentliche. Der Bedarf für Pflege wird garantiert wachsen, doch wer kann sich eine 24-Stunden-Pflege nach hiesigem Kollektivvertrag leisten?
Dass Berufslaufbahnen heute zunehmend nicht mehr linear verlaufen, sich Zeiten der Beschäftigung mit Zeiten der Arbeitslosigkeit abwechseln, ist eine der Folgen, aber auch eine der Ursachen für die wachsende Dynamisierung des Arbeitsmarkts.
Den rekordverdächtigen Arbeitslosenzahlen stehen seit Jahren auch ebenso rekordverdächtige Zahlen bei der Beschäftigung gegenüber. Auch diesen Jänner ist die Beschäftigung auf aktuell 3,4 Millionen Menschen gestiegen. Vor 50 Jahren gab es in Österreich gerade einmal zwei Millionen Beschäftigte. "Man versucht, zu optimieren", sagt AMS-Chef Kopf. Wenn immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt strömen, haben die Betriebe mehr Auswahl, wenn die Anzahl der Jobs steigt, trifft das aber auch auf die Arbeitnehmer zu.
"Das AMS lässt Arbeitslosen auch Zeit", sagt Kopf. Arbeitslosengeld gibt es für die Dauer von von 20 bis 52 Wochen. Das erlaubt den Suchenden, ein nicht passendes Angebot auszuschlagen, das meist auch keine langfristige Lösung darstellt, weil es etwa nicht der Qualifikation entspricht. "Nach sechs bis acht Monaten kippt das dann aber. Wenn jemand ein Jahr und länger sucht, wird die Chance, etwas zu finden, radikal geringer."
Das AMS hat kürzlich eine Initiative gestartet, um auch auf diese Dynamisierung zu reagieren. Ein Lehrabschluss lässt sich nun auch in Modulen erwerben, was jenen entgegenkommt, die immer wieder Phasen der Arbeitslosigkeit erleben. "Das Schlechteste ist immer Nichtstun", sagt Kopf. Und auch Helmut Hofer vom IHS glaubt, dass ständiges Lernen und Umlernen eine notwendige Schlussfolgerung des beschleunigten Arbeitsmarkts darstellt. Ein Faktum habe nämlich immer Bestand, sagt Kopf, gleich, ob die Arbeitslosenzahlen steigen oder fallen: "Das Verhältnis zwischen Arbeitslosigkeit und Bildung ändert sich nicht."