Zum Hauptinhalt springen

Schnellschuss in der Trainerfrage

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Der Nachfolger von Josef Hickersberger heißt also Josef Hickersberger. Die Entscheidung fiel quasi über Nacht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Josef Hickersberger ist ein ehrenwerter Mann und anerkannter Fußballexperte. Und tatsächlich gibt es einige Argumente, die für eine Verlängerung seines Vertrags als ÖFB-Teamchef sprechen. Aber mit der Art und Weise wie diese offensichtlich bereits fix abgesprochene Vertragsverlängerung öffentlich abgehandelt wird, tut sich Hickersberger selbst nichts Gutes.

Zunächst einmal der Zeitpunkt: Es ist - gelinde gesagt - sonderbar, quasi im Eilzugstempo und im Windschatten einer öffentlichen Gefühlswallung, wie sie Spiel Österreich gegen Deutschland nun einmal darstellt, die Trainerfrage de facto zu entscheiden. Statt Emotionen wäre eine kühle, sachliche Analyse der Leistungen des Teams bei der Europameisterschaft sowie ein Trainer-Anforderungsprofil für die Zukunft zu erstellen gewesen.

Das ist mit Sicherheit nicht innerhalb jener 13 Stunden möglich, die zwischen dem Abpfiff bei Österreich-Deutschland und der quasi Selbstverlängerung durch Hickersberger samt Segen von ÖFB-Präsident Friedrich Stickler bei der Pressekonferenz am Tag danach lagen.

In diesem Zusammenhang ist ein Verweis auf das punkte- und tormäßig miserable Abschneiden des Teams mindestens so polemisch wie die jetzige Instrumentalisierung der kurzfristigen Euphoriewelle zwecks Einzementierung Hickersbergers intransparent. Doch statt sich in professionellem Personalmanagement zu üben, weiß der ÖFB zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht einmal, was er sich an Strukturen und Personal für das Nationalteam in den kommenden Jahren überhaupt leisten kann und will.

Schön und gut auch, dass sich die Spieler für den Verbleib des Trainers ausgesprochen haben. Was sollten sie aber auch sonst tun, immerhin hat sie Hickersberger nominiert. Gut möglich, dass eine Umfrage unter den Daheimgebliebenen differenzierter ausgefallen wäre. Aber auch das ist in Wirklichkeit irrelevant, denn seit wann suchen sich die Spieler ihren Trainer selbst aus? Maradona, Zidane und Ballack haben vielleicht in dieser Frage ein informelles Mitspracherecht, bis dato kommt aber kein Österreicher an deren Status auch nur annähernd heran. Es ist schon zu viel des Guten, dass sich einige Spieler ihre Mitspieler aussuchen zu können glauben.

Es ist kein Verrat an Österreich oder ein Heruntermachen Hickersbergers, wenn man die Frage in den Raum stellt, ob es nach praktisch 15-jähriger Cordoba-Geiselhaft auf der Teamchef-Position nicht einmal Zeit für eine internationale Trainerlösung wäre. Die in vielen Belangen vergleichbare Schweiz geht das Abenteuer WM-Qualifikation mit Ex-Bayern Coach Ottmar Hitzfeld an. Spannend, oder?

Alle Beiträge dieser Rubrik unter:

www.wienerzeitung.at/abseits

abseits@wienerzeitung.at

"Warum kommt nach 15-jähriger Cordoba-

Geiselhaft nicht einmal eine internationale Trainerlösung?"