Sechster Gang, erster Gang, Retour-Gang. Woher er weiß, das alles passt? Er hört das, sagt Hermann Bittmann, Getriebetester bei Opel Austria Powertrain. Georg Scharinger hört das nicht, noch nicht, vielleicht aber auch nie. Scharinger ist 14 Jahre alt und nur noch wenige Stunden "Schnupperlehrling". Es ist Freitag, halb zwölf. In der vergangenen Woche fuhr er jeden Morgen in das Werk von General Motors in Wien 22 statt in die Schule - und schnupperte dort in die Arbeitswelt.
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Berufspraktische Wochen, sogenannte Schnupperlehren, sind mittlerweile an fast allen Schulen üblich. Die Schülerinnen und Schüler suchen sich einen Betrieb aus, den sie kennen lernen möchten. "Die Mädchen sind meist in Kindergärten oder Volksschulen, ansonsten schnuppern die Schüler in Hotels, bei Ärzten, Rechtsanwälten, Sportgeschäften", berichtet Paul Zmatlik, Scharingers Geografielehrer und Mitbetreuer der Schnupperlehre an seiner Schule. Im Herbst lernen die Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht Bewerbungen und Lebenslauf zu verfassen, mit diesem Wissen organisieren sie sich ihren "Arbeitsplatz".
Learning by doing also - nicht nur für die Jungen. "Auch wir Lehrer lernen viel dazu", sagt Zmatlik. Das glaubt man ihm sofort. Der übliche Weg einer Lehrerlaufbahn führt von der Schule über die Uni zurück zur Schule. Die reale Arbeitswelt lernen die meisten nicht kennen. "Ich wär ja nie zu den Bundesforsten gekommen, würde da nicht ein Schüler seine Schnupperlehre machen. Oder in dieses Werk", meint Zmatlik. Eine Werksbesichtigung sei jederzeit möglich, offeriert Elisabeth Bachner, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei Opel Austria Powertrain.
Geschnuppert - geblieben
Jedes Jahr kümmern sich die Mitarbeiter des Werks um 20 bis 30 Schnupperlehrlinge. "Das hat sich ganz gut bewährt", erklärt Erich Piringer, Ausbildungsleiter der Lehrwerkstätte bei Opel Austria Powertrain. Der Großteil der Schnupperlehrlinge bewirbt sich als Lehrling. Hilfreich seien die berufspraktischen Tage aber nicht nur, um zu wissen, was man beruflich einmal machen möchte. Die Erkenntnis: "Das möchte ich auf gar keinen Fall machen", sei ebenso wichtig, findet Piringer.
Ob sich Scharinger bewerben wird? "Ich weiß noch nicht", sagt er und rückt seinen Rapid-Schal zurecht. Piringer schmunzelt. Ob Rapid- oder Austria-Fan sei egal - oder Galatasaray. Weder der Fußballverein noch die Nationalität spiele eine Rolle. "Wir gehen rein davon aus, dass wir die besten Mitarbeiter, die es am Arbeitsmarkt gibt, bekommen. "Wir sind multikulturell. Jeder, der in Österreich arbeiten darf, kann bei uns Lehrling werden", hält er fest. Egal sei ihm auch, ob ein Ring im Ohr stecke oder die Haare bunt gefärbt seien. "Das ist ein anerkannter Fachmann", erzählt er und deutet auf das Foto hinter ihm, auf dem ein junger Mann mit blau gefärbten Irokesen-Haarschnitt zu sehen ist. "Da können wir nicht mithalten", meint Piringer verschmitzt zu Scharinger.
250 bis 300 Bewerbungen gehen pro Jahr ein. Drei Kollegen wählen 100 bis 200 Schreiben aus, die jungen Menschen werden zu einer Testrunde geladen, in der Handgeschicklichkeit (wie Draht mit Fingern in eine bestimmte Form bringen) ebenso bewertet werden wie angewandtes Rechnen. Die 40 ausgewählten Kandidaten kommen in die nächste Runde, etwa 15 beginnen im Herbst mit ihrer dreieinhalb Jahre dauernden Lehre der Elektroanlagentechnik. Mehr als die Hälfte der Ausgebildeten verbleiben anschließend im Werk - die meisten davon sind Männer. "Leider", sagt Piringer und fügt hinzu: "Auch als Schnupperlehrling hatten wir ewig kein Mädchen." Bachner: "Das tut dem Herrn Piringer besonders leid, denn die Mädchen sind immer besonders fleißig und vif."