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Schock für Bulgariens Regierung

Von WZ-Korrespondent Frank Stier

Politik

Die konservativen Regierungsparteien, einst gegen South Stream, freundeten sich zuletzt zusehends mit dem Projekt an.


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Sofia. Es klang ein wenig pikiert, als der russische Staatspräsident Wladimir Putin am Montagabend in Ankara die Einstellung des Projekts der Gaspipeline South Stream mit Bulgariens mangelnder Souveränität gegenüber der Europäischen Union begründete. Doch die Pipeline, die zum Zweck der Umgehung des Gas-Transitlandes Ukraine errichtet wurde, ist nicht bloß irgendeine geplante Gasleitung. Sie ist auch Anlass für die osteuropäische Gretchenfrage, die lautet: "Wie hältst du’s mit Russland?"

Noch als EU-Energie-Kommissar hat Günther Oettinger Ende Mai 2014 Bulgariens Regierung zur Einfrierung des South Stream-Projekts aufgefordert. Grund dafür waren weniger die EU-Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Konflikts als Unregelmäßigkeiten beim Ausschreibungswettbewerb zum Bau der Gaspipeline. Hinzu kam die Weigerung Russlands, South Stream gemäß den Bestimmungen der EU zu errichten und Dritten Zugang zur Pipeline zu gewähren.

Zwar sagte der damalige Ministerpräsident der sozialistisch geführten Koalitionsregierung, Plamen Orescharski, der Einfrierung des Projekts zu. Die Arbeiten an der Pipeline gingen aber weiter. In Bulgariens Schwarzmeer-Häfen wurden Betonteile für ihren Bau angeliefert. Außerdem erhöhte das bulgarische Wirtschaftsministerium das Unternehmenskapital an der bulgarisch-russischen Projektgesellschaft. "Zum wiederholten Male haben wir unsere nationalen Interessen verspielt. Anstatt dass 63 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich Bulgarien passieren, wir von Transitgebühren profitieren und Gas zu Vorzugspreisen bekommen, werden wir dasselbe Gas von der Türkei kaufen", klagt der sozialistische Ex-Wirtschaftsminister Rumen Getschew. Seine Genossen halten den Anfang November zum zweiten Mal ins Amt getretenen rechtsgerichteten Ministerpräsidenten Bojko Borissow für den Totengräber von South Stream.

Während seiner ersten Amtszeit von 2009 bis 2013 hatte Borissow bereits zwei russische Energieprojekte eingestellt: den Bau eines zweiten Atomkraftwerks bei Belene an der Donau sowie die Schaffung einer Öl-Pipeline vom bulgarischen Schwarzmeerhafen Burgas ins griechische Alexandroupolis. Sie sollten zusammen mit South Stream Bulgarien zum Energie-Hub des Balkans machen. Zuletzt aber hatte sich Borissows Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (Gerb) immer wieder für South Stream ausgesprochen - unter der Voraussetzung, die Pipeline würde entsprechend den EU-Direktiven errichtet.

Novelle aus Gazproms Feder

Borissows Koalitionspartner, der konservative "Reformerblock" (RB), hatte allerdings stets gegen die Gaspipeline opponiert. Er fürchtete, dass die Pipeline Bulgariens energiewirtschaftliche Abhängigkeit von Russland erhöhe, statt sie zu vermindern. Als bekannt wurde, dass ganze Passagen einer Gesetzesnovelle zum nationalen Energiegesetz, die von sozialistischen Abgeordneten in die bulgarische Volksversammlung eingebracht wurde, in der Zentrale der russischen Gazprom formuliert worden waren, nannte RB-Sprecher Radan Kanev South Stream "möglicherweise die größte Korruptionsaffäre der bulgarischen Geschichte".

Seit aber der Reformerblock mit Gerb eine Koalitionsregierung bildet, äußern sich seine Vertreter zurückhaltender. "Für mich ist das Projekt South Stream so lange noch nicht geschlossen, bis wir eine Stellungnahme Russlands sehen", sagt Wirtschaftsminister Boschidar Lukarski (RB). Bulgariens Nachbar Serbien trauert jedenfalls um das Projekt: Serbien zahle den Preis für eine Auseinandersetzung zwischen den Großmächten, beklagte sich Premier Aleksandar Vucic.