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"Das ist nicht das Ende. Das ist der Beginn für eine bessere Zukunft von uns allen." Die ecuadorianische Handelsministerin Yvonne A-Baki findet mit dieser Reaktion auf das Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Cancun den Beifall von Delegierten und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen. Gerade erst hatte der brasilianische Außenminister Celso Amorim das überraschende Ende der Konferenz bekannt gegeben. Die Reaktionen darauf waren so gespalten wie die WTO: Schock, Jubel und Nachdenklichkeit.
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Die Verhandlungen hatten sich nach mehr als 14-stündigen Beratungen an dem umstrittenen Investitionsschutzabkommen festgefahren. Die EU, Japan und Südkorea waren mit dem festen Willen in die Runde gegangen, ein Verhandlungsmandat für die so genannten "Singapur-Themen" zu erlangen. Entwicklungs- und Schwellenländer lehnten dies strikt ab. Sie wollten die WTO-Beratungen auf die Landwirtschaft und den dringend notwendigen Abbau von Subventionen konzentrieren. Das sei für die Menschen in ihren Ländern am wichtigsten, erklärten sie.
Rund fünf Tage mühten sich die Delegationen aus 146 Ländern im streng bewachten Karibik-Badeort Cancun, einen Zeitplan für eine weitere Öffnung der Märkte festzulegen. Die vor zwei Jahren in Doha begonnene Handelsrunde soll Ende 2004 abgeschlossen sein.
Wann und zu welchem Zeitpunkt die Beratungen festgefahren waren, konnte keiner der Delegierten mehr genau sagen. Während US-Delegationsleiter Peter Allgeier noch mit unverblümtem Optimismus die Verhandlungen als schwierig, aber zu bewältigen beschreibt, stürmt eine Gruppe von afrikanischen Ländern aus dem Verhandlungsraum. "Die Verhandlungen sind undemokratisch und intransparent", empört sich der Delegierte Yashpal Tandem aus Uganda. Verhandlungen über die "Singapur-Themen" seien für die Entwicklungsländer nicht akzeptabel. Auch die Handelsministerin aus Malaysia, Rafidah Aziz, kann es nicht fassen. Den Industriestaaten wirft sie vor, bei den Beratungen nur ihre Interessen im Blick gehabt zu haben.
Europäer und Amerikaner hatten wohl die Entschlossenheit der Entwicklungs- und Schwellenländer in Cancun unterschätzt. In Delegationskreisen gab man sich überrascht über die Geschlossenheit der Gruppe aus 21 Ländern um Brasilien, Indien und Südafrika. "Wir präsentieren eine Plattform unterschiedlicher Länder, die für eine Reform der Landwirtschaft eintritt", stellt Amorim klar. Für ihn und seine Kollegen aus Argentinien, Südafrika und Ägypten ist das Scheitern der Konferenz kein Grund zum Jubeln, sondern zum Nachdenken. "Ich bedauere sehr, dass es kein Ergebnis gibt", sagt der brasilianische Minister.
Auch den "GlobalfObicos" - wie die Globalisierungsgegner in Mexiko genannt werden - scheint nicht recht klar, wie sie den Verhandlungskollaps bewerten sollen. Während eine Gruppe spontane Freudengesänge im Konferenzzentrum abhält und unter Jubel das WTO-Positionspapier für die Abschlusserklärung zerreißt, geben sich andere verhaltener. Die deutsche Verbraucherministerin Renate Künast hat kein Verständnis für die Partystimmung. "Das schmerzt mich wirklich", sagt sie. "Wer jetzt feiert, feiert auf dem Rücken der Ärmsten." Nach Cancun wird es schwer sein, zur Tagesordnung zurückzukehren. EU-Handelskommissar Pascal Lamy beschreibt die ständig wachsende multilaterale WTO als mittelalterlich, die unbedingt reformiert werden muss. Die eigentlichen Verlierer von Cancun sind aber die Entwicklungsländer. Ihre Hoffnungen haben sich am wenigsten erfüllt.
Weiterhin wird amerikanischer Billig-Mais Mexiko und andere mittelamerikanische Länder überschwemmen und die lokalen Märkte zerstören. Noch immer drückt hoch subventionierte Baumwolle aus den Vereinigten Staaten den Weltmarktpreis und bringt afrikanische Baumwollbauern um ihre Existenz. Francois Traore, Baumwollbauer aus Burkina Faso und Delegationsmitglied, ist tief enttäuscht: "Ich werde den Menschen in meinem Dorf sagen, dass die WTO dem Süden nicht hilft."