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Schock wird nicht lange anhalten

Von Tamara Arthofer

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Natürlich sind jetzt alle schockiert. Muss ja so sein. Ansonsten müsste man sich eingestehen, vom systematischen Doping-Netzwerk rund um Lance Armstrong gewusst und es stillschweigend geduldet zu haben. Der Weltverband UCI (der sich bis jetzt eher zurückhaltend zum Bericht der US-Anti-Doping-Agentur geäußert hat), die Fahrer und Verantwortlichen im Peloton. Nur vier noch aktive Profis haben zugegeben, selbst Teil dieses Netzwerks gewesen zu sein. Aber natürlich nicht freiwillig, wie die Usada in ihrem Bericht festhält, in dem sie nicht nur die harten Fakten auf den Tisch knallt, sondern an den passenden Stellen auch Human-Touch-Storys eingewoben hat. Etwa jene von David Zabriskie, der früh seinen Vater wegen dessen Drogenmissbrauch verloren hatte, die Flucht aus dem tristen Alltag im Radsport gesucht und sich dabei selbst geschworen hatte, nie Drogen anzurühren. Doch auch er machte mit - weil Armstrong und dessen Intimus Johan Bruyneel es so wollten. Als er nach seiner ersten EPO-Spritze aufs Zimmer ging, soll er in Tränen ausgebrochen sein. Das mag stimmen, und es ist durchaus legitim, die Zabriskies und Co.s als Opfer eines kranken Systems zu sehen. Allerdings hat der Radsport, der jetzt so empört daherkommt, nie etwas dagegen getan, eben sie zu schützen. Das war vor Armstrong so, und es wäre naiv zu glauben, dass es nun anders wird. Auch wenn alle Besserung geloben, auch wenn es jetzt angeblich viel sauberer zugehen soll - und auch wenn das zum Teil sogar stimmt: Das Lügen wird nie aufhören, solange es zum eigenen Vorteil gereicht, solange die handelnden Personen dem gleichen System entstammen und solange artifiziell Helden aufgebaut werden, denen man blind vertraut und nacheifert. Das ist vielleicht die einzige Lehre aus dem Fall (des) Lance Armstrong.