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Nach langen Anlaufschwierigkeiten hat der steirische Unternehmer Joseph Zotter heuer sein Werk in Shanghai eröffnet.
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Shanghai. "Müssen wir darüber noch einmal reden?", fragt Josef Zotter - und lacht. Man merkt ihm die Erleichterung an, dass sein Schokoladentheater "Zhen de Shanghai" in der ostchinesischen Metropole endlich geöffnet hat, nach langen Planungen und schier unendlichen Behördenwegen. "Die Idee zu diesem Projekt reicht gut fünf Jahre zurück, mit der Realisierung haben wir vor zweieinhalb Jahren begonnen. Wir haben uns eingebildet, wir könnten das in einem Jahr durchpeitschen, aber das war naiv, da geht es fast allen ausländischen Unternehmern gleich - Chinesen sind für sie einfach schwer zu durchblicken."
Insofern dürfte für Zotter ein Traum in Erfüllung gegangen sein, als im Mai 2014 die Eröffnung mit einem Löwentanz und hohen Politikern begangen wurde. Für das 2400 Quadratmeter große Areal wurde eine alte Hemdenfabrik revitalisiert, was ungewöhnlich ist - alte Gebäude werden hier üblicherweise abgerissen.
Tochter Julia ist Standortleiterin
Am Hafengelände des Huangpu, wo einst Textil-Arbeiter ihre Leinen sortierten, führt nun ein kurzer Film in die bunte Welt von Zotter ein und erklärt das Prinzip von Bio und fairem Handel. Viele der folgenden Stationen erinnern an das Stammwerk im steirischen Bergl, etwa die Kakaobohnen zu Beginn oder die bunten Löffel, mit denen man von den Schokoladebrunnen probieren kann. Die Dimensionen sind im Vergleich zum heimischen Vorbild abgespeckter, der Eintritt kostet umgerechnet 21 Euro und die Schokolade ist doppelt so teuer wie in Österreich.
Dafür hat man als Gast in Shanghai gute Chancen, vom Chef persönlich durch den Betrieb geführt zu werden, denn Josef Zotter kommt regelmäßig nach Shanghai, um nach dem Rechten zu sehen und seine Tochter zu besuchen: Julia hält in China als Standortleiterin die Stellung.
Im Vergleich zu Bergl, das mit 260.000 Besuchern pro Jahr mittlerweile eine der beliebtesten Touristenattraktionen der Steiermark ist, hält sich der Andrang in Shanghai noch in Grenzen. "Das schwankt zwischen 50 und 200 Besuchern pro Tag, zu Spitzenzeiten hatten wir aber auch schon 400 Leute. Den Break-even erreichen wir mit 250 bis 350 Zahlenden pro Tag, da haben wir also noch ein wenig Arbeit vor uns", so Zotter. Dafür laufe der Online-Verkauf der Schokolade besser als erwartet, und auch da habe man kleine Überraschungen erlebt.
Die Chinesen begeistern sich weniger für die eigens kreierten Sojasorten oder gar Insektenexperimente, sie bevorzugen vielmehr dunkle Schokolade mit einem Kakaoanteil von 80 Prozent. Allerdings: "Wir verkaufen in Graz nach wie vor mehr Schokolade als in ganz China, woran sich vorläufig nichts ändern dürfte. In unserem Vertrieb macht Österreich immer noch einen Anteil von 50 Prozent aus, 30 Prozent gehen nach Deutschland, 8 Prozent in die Schweiz und der Rest in die anderen Länder. China werden wir erst in einem Jahr analysieren und dann hoffentlich Graz überholen - alles andere wäre ja schlimm!", lacht Zotter.
Die gute Laune ist dem steirischen Paradeunternehmer jedenfalls noch nicht vergangen, was auch damit zusammenhängen dürfte, dass er die sechs Millionen Euro schwere Investition zum größten Teil aus eigener Kraft gehoben hat. Allerdings sind Zotter finanzielle Schiffbrüche nicht fremd, womit er in seiner Biographie und bei Interviews auch offen umgeht. 1996 ging der gelernte Koch und Konditor mit seinen vier Kaffeehäusern in Graz in Konkurs, er selbst bezeichnete die Insolvenz als Folge seines "Größenwahnsinns".
Zielscheibe von Angriffen
Nun also ein Riesenprojekt in Shanghai, weit weg von zu Hause und in einer Dimension, die bei einem allfälligen Scheitern durchaus Schmerzen bereiten würde. "Natürlich hat man da Angst - ein Unternehmer ohne Furcht lebt vermutlich auf einem anderen Stern. Das schadet aber nicht, denn man ist vielleicht ein bisschen aufmerksamer, kümmert sich um jedes Detail und begrüßt die Gäste einzeln. Das gehört zu einem Privatunternehmen dazu. Ein Staatsbetrieb sieht hingegen vieles als selbstverständlich an und scheitert dann meist damit."
L’état et moi: Wer sich mit Zotter unterhält, bekommt oft philosophische Exkurse aus den Bereichen Wirtschaft und Politik zu hören. Umgekehrt wurde er für seine Firmenpolitik in letzter Zeit auch selbst Zielscheibe von Angriffen, von denen sich viele gegen das Schokoladentheater in Shanghai richteten. Als der Schokomacher 2012 publik machte, dass er nach China expandieren wolle, hagelte es Kritik, er würde die Produktion in ein Land auslagern, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Ersteres stimmt nicht, denn in Shanghai werden nur frische Waren auf Nachfrage hergestellt, während der Löwenanteil der Produktion in Österreich verbleibt. Bei den Menschenrechten ist die Frage indes eine grundsätzliche: Muss sich ein Unternehmer schämen, wenn er in China ein Geschäft betreibt? "Nein. Jeder, der uns kennt, weiß, dass wir versuchen, seriös und transparent zu arbeiten. Wir werfen unsere Prinzipien natürlich auch in China nicht über Bord, gehen mit den Ressourcen und Mitarbeitern vernünftig um und zahlen ihnen anständige Löhne. Alleine schon deshalb ist die Produktion hier keinesfalls günstiger. Wenn andererseits Konsumenten ihre Produkte immer nur billiger haben möchten, sodass den Unternehmern gar keine andere Wahl bleibt als eine Massenproduktion unter menschenunwürdigen Bedingungen: Muss sich da der Unternehmer schämen oder der Verbraucher?"
Zumindest in einer Beziehung quält Zotter seine chinesischen Mitarbeiter tatsächlich: Für die Arbeitszeit hat er ihnen ein Handyverbot auferlegt, weswegen sie vorübergehend auf ihre geliebten Chat-Programme verzichten müssen. Bei einigen half daraufhin nicht einmal mehr Schokolade.

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