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Zu großer Po, zu kleiner Busen, zu große Nase. Sich pubertären Selbstzweifeln hinzugeben, gilt unter Jugendlichen in den USA zunehmend als schick. Immer mehr von ihnen legen sich freiwillig unters Messer - mit 14, 13 oder sogar schon mit zwölf Jahren. Die amerikanische Gesellschaft für Schönheitschirurgie (ASAPS) zählte im vergangenen Jahr rund 171.000 Heranwachsende unter 18 Jahren, die sich operieren ließen.
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An willigen Medizinern herrscht kein Mangel. "Sie werden problemlos einen Arzt finden, der einer 14-Jährigen Brustimplantate einsetzt", sagt der renommierte New Yorker Chirurg Gerard Imber. "Es ist zum Geschäft geworden."
In den USA genügt schon eine medizinische Grundausbildung, um den Titel "Schönheitschirurg" zu tragen. Einen "Mangel an Ethik" sieht der kalifornische Starchirurg John Grossman jedoch nicht nur bei den Ärzten, sondern auch bei den Eltern. Grossman, in dessen Praxis in Beverley Hills die Reichen und Möchtegern-Schönen ein und aus gehen, sagt: "Wir nähren bei den Jugendlichen die Illusion, jedes Problem könne mit Geld gelöst werden. Die Eltern haben den einfachen Reflex, den Kindern einen Scheck auszustellen und sie zum Chirurgen zu schicken, statt mit ihnen zu reden."
Schuld sei auch ein durch Hochglanz-Illustrierte verfälschtes Bild von Sexualität, sagt der Arzt, dessen vier Töchter alle ohne Operation groß geworden sind. "Wenn ein Mädchen von 13 oder 14 Jahren ernsthaft Silikonimplantate haben will und ihre Eltern dem zustimmen, sagen sie mit anderen Worten, dass es akzeptabel ist, mit 13 sexuell aktiv zu sein. Das ist doch verrückt!"
Den schlimmsten Auswüchsen des Schönheitswahns versuchte der US-Gesetzgeber vor kurzem einen Riegel vorzuschieben. Das Mindestalter für eine Brustvergrößerung wurde auf 18 Jahre angehoben. Vor zwei Jahren hatten sich noch rund 2500 Minderjährige einer Brustoperation unterzogen. Dennoch - die Zahl der Schönheitsoperationen explodiert. Grossman zufolge hat sie sich in den vergangenen vier Jahren verdreifacht. Nach den Zahlen der ASAPS werden heute fast doppelt so viele Eingriffe vorgenommen wie noch vor drei Jahren.
Im Run auf den OP vernachlässigten Jugendliche und ihre Eltern die gesundheitlichen Gefahren, sagt Grossman. "13-jährigen Mädchen fehlt die Einsicht, dass die Nase ihrer Freundin fünf oder sechs Jahre später vielleicht nicht mehr so schön aussehen wird, wenn sie erst ausgewachsen ist". Für die operierenden Ärzte bares Geld - denn spätestens mit Ende des Wachstums wird ein neuer Eingriff fällig. Die Lösung ist für den Starchirurgen einfach: "Wenn die Eltern keine Verantwortung zeigen, müssen wir Ärzte es eben tun."