Jede Branche hat ihre eigene Sprache - so auch der Finanzmarkt: Ein Ausflug in die Welt von "Negativrenditen" und "Konsolidierungen".
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"Der Markt befindet sich auf einem tiefen Niveau mit vielen Wachstumsmöglichkeiten nach oben", stellte unlängst ein Vertreter der Branche "geschlossene Fonds" fest. So unrecht hat er damit nicht, denn jeder Markt hat sich nach einem Einbruch - oder finanzsprachlich schöner gesagt: einem Negativwachstum - irgendwann für mehr oder weniger lange Zeit erholt.
Von Inflation kann in der Realwirtschaft derzeit keine Rede sein - umso mehr lässt sich diese bei Euphemismen feststellen, mit denen die Finanzwelt versucht, die Lage im wahren Sinne des Wortes schönzureden und Tabubegriffe wie Verlust oder Krise zu umgehen.
Obwohl Anleger und Journalisten die Euphemismen längst als solche enttarnt haben, werden sie weiter verwendet. Auch die Vergabe des Prädikats "österreichisches Unwort des Jahres 2008" hat etwa die "Gewinnwarnung" nicht aus dem Börsenlexikon verschwinden lassen. Eingeweihten verrät das Wort, dass eine Firma den erwarteten Gewinn nach unten revidieren muss - zum Beispiel wegen einer Abschreibung, also dem Wertverlust eines Vermögensgegenstandes.
Womit wir bei einem der schwierigsten Bereiche der Finanzwelt in Sachen Fachvokabular sind: Die Bilanz - eine wichtige Informationsquelle für Aktionäre, die aber schwer zu entziffern ist. Einen guten Überblick darüber, warum Eigenkapital auf der Passivseite der Bilanz zu finden ist und über andere komplexe Finanzthemen bietet etwa das nun bereits in der fünften Auflage erschienene Standardwerk "Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen" von Rolf Beike und Johannes Schlütz.
Das Spaßbuch der Bank
Viele finanzsprachliche Kreationen haben es allerdings schon in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft und so kann etwas mittlerweile einen negativen Beitrag leisten oder eine Negativrendite erzielen.
Beinahe in aller Munde ist langsam auch der Begriff des "quantitative easing", der von Beike/Schlütz mit "Geldmengenausweitung" übersetzt wird, den aber Kritiker die "Politik des billigen Geldes" nennen, bei der Notenbanken Geld zu günstigen Zinsen zur Verfügung stellen - auf dass es zu keiner "Kreditklemme" komme.
Eine eindeutige Wortschöpfung der jüngsten Krise ist "Subprime", wörtlich übersetzt "unterhalb von erstklassig". Nur impliziert ist in diesem Begriff, dass diese Kredite ein viel höheres Risiko eines "Ausfalls", also der Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers, hatten.
An diesem Beispiel zeigt sich übrigens, dass die Finanzwelt einige negativ besetzte Begriffe wie "Risiko" durchaus ein wenig positiv behaftet hat. Denn am Kapitalmarkt werden bewusst eingegangene Risiken zumeist mit höheren Renditen belohnt - zumindest so lange bis die Blase platzt, also der zugrundeliegende Wert zu gering wird.
Durch den Trend zum kritischeren Anleger und transparenteren, vereinheitlichten Informationen werden Markt-Ineffizienzen geglättet, was bedeutet, dass einzelne Spekulanten nicht mehr astronomische Gewinne machen und diese gleich "mitnehmen" können, also nicht wieder veranlagen, weil sie einen Marktumschwung vorausahnen oder vielleicht (mit)verursacht haben. Allgemein wird erwartet, dass die durchschnittliche Aktienrendite in Zukunft unter jenen der vergangenen Dekaden liegen werden.
Allerdings hat die jüngste Finanzkrise dazu geführt, dass Vortragende noch viel vorsichtiger mit dem sind, was sie sagen - und manchmal kann das zu unbeabsichtigten Wortkreationen wie "Fachläusen" in Aufsichtsräten und "Spaßbüchern" bei einer Bank führen, mit denen Psychoanalytiker gewiss ihre Freude hätten.
Barbara Ottawa ist freie
Journalistin und berichtet
vorwiegend über Investitionen
und Pensionskassen.