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Manche Wörter schmerzen richtig. Schmerzen, weil sich in ihnen Ressentiment und Klischee auf geradezu unerträgliche Weise paaren. "Turboslawinnen" ist so ein Wort. Unfreiwillig aufgeschnappt hat es der Autor dieser Zeilen im letzten Sommer, diesem glühenden, in einem herrlich gelegenen Wiener Freibad über Grinzing. Da schwärmte ein etwa Fünfundzwanzigjähriger in Döblinger Idiom und leider nicht zu überhörender Lautstärke in den höchsten Tönen von seinem letzten Wochenendtrip nach Prag: Von den wilden Clubbings und den im Vergleich zu Wien immer noch spottbilligen Drinks, von den "fetten Beats" und schließlich, sakra, von den "Turboslawinnen", diesen "heißen Tschechenhasen" im Roxy und im Radost FX, im Mecca und in der Lucerna. "Von denen könnten sich die Wiener Mädeln so allerhand abschauen", so der junge Mann.
Frauen wie GTI´s? "Hasen" wie Opel-Manta, VW-Cabrio, BMW, bei denen Mann jenseits der Grenze so richtig Gas geben kann? Vielleicht war es dem Herrn ja bloß zu heiß geworden, damals im August, im Krapfenwaldbad. Zu heiß im Kopf oder an anderen Körperteilen. Schlicht überhitzt also.
Mag sein. Tatsache ist aber, dass das Klischee von den sexuell überaus an-, auf- und erregenden Schönheiten Tschechiens und der Slowakei seit längerem die Runde macht.
(Dass es sogar schon in der Renaissance kursierte sei hier nur am Rande erwähnt. So zitiert nämlich Vladislav Dudák in seinem "Wanderer durch Prag" den italienischen Botschafter Abbadino. Der habe schon 1531 an den Herzog von Mantua geschrieben, dass die Prager Frauen "sehr schön und zur Lust mehr geneigt sind, als bei anderen Völkern üblich ist.")
Fragt sich, woher derlei Männer-Phantasien kommen mögen. Ob vielleicht auch was dran sein mag an den Wunschbildern? Und wie die Realität jenseits der feuchten Träume spätadoleszenter Jünglinge tatsächlich aussieht.
Ein Grund dafür, dass sich in den letzten Jahren mehr und mehr die Vorstellung von angeblich besonders reizenden Tschechinnen und Slowakinnen durchgesetzt hat, liegt wohl in der Konjunktur, die Models und Mannequins aus diesen Ländern zuletzt erlebt haben, und zwar international. Die "-ovas" waren und sind bei Agenturen und Fotografen tatsächlich sehr gefragt und auch weiterhin bestens gebucht, sei es nun Andriana Sklenaríková , die mit ihren prächtigen Formen nicht nur die Werbung für "wonderbra" geziert hat, oder Tereza Maxová, Karolina Kurková oder Eva Herzigová. Models aus dem ehemaligen Osten sind nach wie vor en vogue, und der Frauentyp, den Schönheiten wie Daniela Pestová, Alena eredová oder Simona Krainová verkörpern, dieser Frauentyp entspricht im Moment offenbar dem Zeitgeist.
"Wir sind nicht so mager und blutleer wie die Mädchen, die vor zehn Jahren gefragt waren.", sagt Eva Duchkova, die selbst seit vielen Jahren als Model gearbeitet hat. "Und vor allem genießen es die Frauen hier, dass sie Frauen sind. Das sieht man." Für Duchkova, 26, ist der Frauentyp, der in Tschechien und der Slowakei vorherrscht, ohnehin schlichtweg der allerschönste überhaupt. "Viele von uns sind sehr groß und schlank, mit sehr langen Beinen. Und viele haben wunderschöne große Augen." Duchkova selbst ist ein lebendes Beispiel dafür: 180 groß, mit grüngrauen Augen und langen Beinen.
Flaniert man durch Prag und nimmt man seinen Blick gelegentlich von den Schönheiten der Architektur, läuft man tatsächlich auffällig vielen hochgewachsenen Frauen über den Weg. Von der Physiognomie dominiert hier ein beinahe gotisch anmutender Frauentyp, einer, der sich von den häufig leicht zum Barock neigenden Wienerinnen durchaus unterscheidet.
Auch Eva Duchkova könnte aus dem Bild eines gotischen Malers, aus einem Giotto oder Cimabue, gestiegen sein. Die Modeljobs, die macht sie allerdings nur nebenbei. Hauptsächlich arbeitet sie für eine große amerikanische Anwaltskanzlei in Prag. Sie spricht schließlich ein nahezu akzentfreies Amerikanisch. Und außerdem singt sie in ihrer eigenen Band, der Rockband Sputnik einer eher wilden punkigen Gruppe. Aber trotz ihres ausgeprägten Selbstbewusstseins sind von Duchkova Sätze zu hören, wie sie in Österreich nur von sehr traditionellen Männern geäußert werden: "Die Frauen in den westlichen Ländern haben es mit dem Feminismus einfach zu weit getrieben. Viele von uns können sich damit nicht identifizieren.", sagt Duchkova, die nun wirklich alles andere als ein Hausmütterchen-Typ ist.
Vielleicht schwärmt ja auch deshalb mancher verunsicherte Westmann von den Frauen in Tschechien, weil er meint, sich dort in längst vergangene Zeiten männlicher Dominanz zurückbegeben zu können. Schließlich sind der feministische Diskurs oder die Diskussion um Gender-Fragen zwischen Prag und Ostrava vorerst wirklich noch auf sehr kleine intellektuelle Kreise beschränkt. Immer noch ist das Problembewusstsein in Frauenfragen im allgemeinen sehr wenig ausgeprägt, und tschechische Frauen agieren nach wie vor eher so, wie das der "klassischen" Frauenrolle entsprochen hat. Jiri Burgerstein schreibt in diesem Zusammenhang in seinem (durchwegs höchst empfehlenswerten!) "Tschechien"-Band in der Beck'schen Länder-Reihe, dass sich das betont "Weibliche" auch im ganzen Outfit bemerkbar macht: "Sie kleiden , schminken und benehmen sich eher betont "fraulich" oder "männergerecht". Das schließt hautenge Kleidungsstücke, knappe Röcke, hochhackige Schuhe und tiefe Dekolletés mit ein. Das Auge des Ausländers fasst das oft als etwas provokative "Aufmachung" auf, die in seiner westlichen Heimat relativ deutlich nur auf bestimmte soziale Schichten (bzw. "Berufe") begrenzt ist. Dieser Interpretationsfehler führt zu unliebsamen Missverständnissen."
Burgersteins lapidarer Nachsatz von den unliebsamen Missverständnissen muss zudem auch in einem anderen Kontext gesehen werden. In dem der Prostitution und Pornographie nämlich, denn so manchem "Westler" will es nicht ganz in den Kopf, dass von den Bordellen im südmährischen Znojmo und Mikulov und dem deprimierenden Straßenstrich vor der deutschen Grenze bei Dubi absolut nicht auf den Alltag in Brno, Jihlava oder Ceské Budejovice geschlossen werden darf. Und schon gar nicht von den Mehrfachpenetrationen und Cumshots in Pornos mit mehrheitlich tschechischen, ukrainischen, russischen etc. Darstellerinnen, die vermeintlich zu allem "bereit" sind. Auf den Alltag geschlossen werden darf daraus jedenfalls nicht mehr oder weniger als in den 70er Jahren von skandinavischen Pornos auf das Sexualleben durchschnittlicher Schweden oder Dänen.
Wenn es dennoch in Prag oder Brünn in sexuellen Dingen möglicherweise tatsächlich hemmungsloser zugehen sollte als in Wien oder Salzburg, dann hat das nicht zuletzt damit zu tun, dass dort die heute 20 bis 50jährigen jenseits jeglicher katholischer Moral sozialisiert worden sind. Der Mehrheit jener, die im Stalinismus aufwuchsen, ist der Begriff von "Sünde" - jedenfalls im sexuellen Kontext - gänzlich fremd, und nicht wenigen aus dieser Generation ist die katholische Vorstellung von unmoralischem Verhalten schlichtweg ein "böhmisches Dorf". Mehr noch: So mancher und manche in den urbanen Zonen Tschechiens verhält sich diesbezüglich nicht un- sondern schlichtweg amoralisch, ganz und gar jenseits hemmender katholischer Moralvorstellungen also.
So mancher Möchtegern-Casanova aus Linz oder Wien hat sich an soviel sexueller Libertinage - so reizvoll und aufregend sie ihm anfangs auch erschienen sein mag - allerdings über kurz oder lang gehörig die Finger verbrannt. Denn im Gegensatz zu Thailand oder anderen Zielen des Sextourismus ist das durchschnittliche Bildungsniveau tschechischer Frauen sehr hoch.
West-Männer, Westler, (was genau genommen angesichts der geographischen Lage von Prag im Vergleich zu, beispielsweise, Wien ein ausgemachter Unsinn ist, zumal Prag um vieles westlicher liegt als Wien), West-Männer genießen im "Osten" am Markt der Geschlechter vorerst noch den einen oder anderen Startvorteil. Zuerst einmal den ganz und gar schnöden, bald einmal vergleichsweise wohlhabend zu sein. Denn das durchschnittliche Nettoeinkommen einer vollbeschäftigten tschechischen Frau liegt - trotz des hohen Bildungsniveaus - bei umgerechnet etwa 400 Euro monatlich. Das materielle Gefälle ist also vorerst weiterhin eklatant. Ein "Westler" hat also bald einmal Möglichkeiten, ein bisschen was zu bieten. Eine kleine Reise hierhin oder einen Urlaub da, ein bisschen Shopping oder einen Abend im Restaurant ... dem Lebens-, dem Erlebnishunger der jungen Frauen in der immer noch nicht so selbstverständlichen neuen "Freiheit" kommt das allemal entgegen.
Darüber hinaus aber gelten "Westmänner" bei vielen tschechischen Frauen schlichtweg als gepflegter als deren einheimische Landsmänner. Denen ist nämlich spätestens jenseits der 30 der üppige Bierkonsum und die nachlässige Pflege nur allzu oft durchaus noch ärger anzusehen als den ohnehin, so sollte man meinen, im Schnitt schon ziemlich vernachlässigten Österreichern, Deutschen oder Amerikanern.
So richtig attraktiv können Männer bei vielen tschechischen Frauen aber vor allem mit einem werden. Mit Emanzipation! Denn glaubt man allerlei Unterhaltungen in Lokalen oder manchen Annoncen in tschechischen Internet-Partnerbörsen wie z.B. www.seznamka.cz , dann ist für tschechische Frauen letztlich nichts unwiderstehlicher als ein emanzipierter Mann. Die Annonce einer 20jährigen Pragerin in Seznamka ist für diesen Trend nicht untypisch: "Hello! My name is Kristina and I am Czech. I like foreigners (preferably Americans), because I found them more appreciating women (than Czech men do). I would like to have a relationship with a mature, intelligent and caring man, 26 to 30 years old, who currently lives in Praha. I study at Charles University", schreibt die Studentin.
Dass der eingangs Erwähnte - Stichwort "Turboslawinnen" - bei Kristina punkten könnte, ist also sehr zu bezweifeln...
Einer wie Hans Christian Andersen hätte bei ihr wohl bessere Chancen gehabt. Von ihm heißt es, dass er während seines Aufenthalts in Prag nur einen einzigen tschechischen Satz gelernt habe. Den hätte er aber unaufhörlich aus der Kutsche gerufen: "Krásná dívko, já te miluji! Krásná dívko, já te miluji! " habe Andersen wieder und wieder geschmettert. Zu deutsch: "Schönes Mädchen, ich liebe dich!"
P.S.: Bei all dem sollte man natürlich nie vergessen, dass Stereotype beileibe nie die ganze Wahrheit sind: Eva Duchkova beispielsweise, die selbstbewusste Prager Schönheit, Eva wurde neulich bei der Ankunft am Flughafen in Dublin von irischen Zollbeamten schnurstracks von ihrer tschechischen Reisegruppe getrennt. Und wie selbstverständlich in die irische Warteschlange eingereiht. Vermutlich, weil Eva Duchkova mit langem, lockigem, rotblondem Haar gesegnet ist - und eigentlich so aussieht, wie das Klischeebild einer Irin.