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"Schöne Mara" verlässt Berlusconi

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv

Knalleffekt im Streit um Probleme der PdL in der Region Kampanien. | Christdemokraten zu Beitritt in die Regierung bereit. | Lega Nord winkt aber ab - Berlusconi in Zwickmühle. | Wien/Rom. Eine Liebeserklärung des damaligen Oppositionschef im Jänner 2007 in einer Fernsehshow war seinerzeit der Auftakt zur Ehekrise im Hause Berlusconi. Knapp vier Jahre und eine millionenschwere Scheidung später hat der krisengeschüttelte Premierminister jetzt auch einen Korb von der einst angehimmelten Mara Carfagna bekommen, die seit 2008 in seiner Regierung das Gleichstellungsressort innehatte.


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Die "schöne Mara", wie sie oft tituliert wurde, meinte am Wochenende, dass das Maß voll sei und sie nach der Vertrauensabstimmung am 14. Dezember ihre politischen Ämter und ihre Parteimitgliedschaft in Berlusconis PdL aufgeben werde.

Die aus der Region Kampanien stammende Mara Carfagna wehrt sich vor allem gegen persönliche Angriffe des regionalen PdL-Parteikoordinators Nicola Cosentino, der erst im Juli dieses Jahres wegen seiner Verbindungen zur neapolitanischen Müllmafia und Verwicklungen in einen P3 genannten Geheimbund sein Amt als Staatssekretär hatte aufgeben müssen. Das Fass zum Überlaufen brachte Cosentinos Versuch, den Bau einer Müllverbrennungsanlage in Salerno zu Fall zu bringen. Damit riskiere die Stadt so wie Neapel im Müll zu ersticken, sagte Carfagna und kritisierte, dass die PdL auf regionaler und Provinzebene mit diktatorischen Mitteln regiert werde. Sie kämpfe für eine wirkliche, authentisch liberale und demokratische Partei.

Berlusconi, der wegen eines langen Telefonats mit seiner scheidungswilligen Ministerin, am Samstag sogar verspätet zur Eröffnung des Nato-Gipfels in Lissabon kam, warf seiner Ministerin vor, sich instrumentalisieren zu lassen. Er will diese Woche noch ein Gespräch mit Carfagna führen, um sie umzustimmen.

PdL-intern wird sogar zugegeben, dass es in der kampanischen Parteigruppe mit Cosentino ein schweres Problem gibt. Außenminister Franco Frattini zeigte Verständnis für seine Ministerkollegin und meinte am Montag, dass Cosentino sein Amt als Parteikoordinator in Kampanien nicht mehr lange ausüben sollte.

Auch Verteidigungsminister Ignazio La Russa, einer der drei nationalen Parteikoordinatoren der PdL, der am Wochenende den Fall Carfagna noch heruntergespielt hatte, gab zu, dass es ein Problem Cosentino gibt.

Casini bietet Berlusconi Hilfe der UDC an

Die Suche Berlusconis nach einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus, um den oppositionellen Misstrauensantrag am 14. Dezember zu überstehen, hat eine neue Wendung bekommen. Pier Ferdinando Casini, der Chef der oppositionellen christdemokratischen UDC, die im Abgeordnetenhaus über 35 Mandate verfügt, bot Berlusconi eine Mitarbeit in einer "Regierung des Waffenstillstands" an. Italien brauche eine verantwortungsbewusste Regierung der nationalen Solidarität. Diese sollte in den nächsten Jahren nicht an Wahlen, sondern ans Regieren denken und im Interesse des Landes auch unpopuläre Beschlüsse fassen, sagte Casini. Er stellte aber auch die Bedingung, dass der Einfluss der rechtspopulistischen Lega Nord zurückgedrängt wird, der Casini eine Spaltung des Landes vorwirft.

Entsprechend fielen die ersten Reaktionen aus. Innenminister Roberto Maroni von der Lega Nord meinte in einem TV-Interview, er schätze Casini, wisse aber nicht, was eine "Regierung des Waffenstillstands" sei. Er sei der Meinung, dass der, der gewonnen habe, regieren und der, der verloren hat, in der Opposition bleiben sollte. Maroni meinte auch, dass eine Mehrheit von wenigen Stimmen auf die Dauer nicht ausreichend sei und wiederholte den Wunsch nach baldigen Neuwahlen.

Auch Berlusconi selbst, der immer wieder um Unterstützung von UDC-Seite gebuhlt hat, gab sich zurückhaltend misstrauisch. Seine Richtung UDC ausgestreckten Fühler waren bisher auf strikte Ablehnung der Lega Nord gestoßen. "Ich kann (Lega-Nord-Chef Umberto) Bossi nicht ins Meer schmeißen" sagte er.

Für Irritationen sorgte Casinis Angebot bei der oppositionellen Demokratischen Partei, deren Fraktionschef Fabrizio Cicchitto meinte, Casini müsse klarstellen, ob er zu den Protagonisten für eine neue Phase in Italien zählen wolle oder zu dem Komparsen des Endes des Berlusconianismus.