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Schöne neue Nanotechnologie-Welt

Von Franz Steinbauer

Wissen

Sehr vielfältiges Forschungsgebiet. | Hoffnung auf viele neue Produkte und Anwendungen. | Gefahrenpotenzial noch nicht klar. | Wien. Was haben Sensoren für die Frische von Lebensmitteln, neue Krebsmedikamente und schmutzabweisende Kleidung gemeinsam? All diese Dinge können nur dank der Nanotechnologie hergestellt werden. Die Nanotechnologie gibt es jedoch nicht, vielmehr handelt es sich um verschiedene Techniken aus der Mikroelektronik, der Robotik, der Biotechnologie, der Medizin und der Materialwissenschaft. "Nano ist ein sehr vielfältiger Bereich. Der Begriff Nano bezieht sich nur auf die Größe und sagt inhaltlich wenig aus", erklärt Helge Torgersen vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.


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Bereits heute wird die Nanotechnologie in einigen industriellen Bereichen eingesetzt. So werden speziell beschichtete Oberflächen wasser- oder schmutzabweisend, was sie etwa für Autos interessant macht. Sonnenbrillen werden durch die neue Technologie besonders kratzfest oder reflexionsarm, Textilien wind- oder wasserdicht, Skiwachse besonders gleitfähig. Auch in der Kosmetik haben Nanoteilchen bereits Einzug gehalten, sie blocken in Sonnencremes UV-Strahlung ab oder transportieren Wirkstoffe. Nicht zuletzt mischen innovative Reifenhersteller ihren Pneus die winzigen Teilchen bei, um ihre Eigenschaften zu verbessern.

Neue Anwendung bei Krebserkrankungen

In der Medizin laufen Versuche, Medikamente über Nano-Partikel direkt und punktgenau zu den Orten im Körper bringen, wo die Wirkstoffe gebraucht werden. Das soll die Effizienz erhöhen und Nebenwirkungen etwa bei der Krebsbehandlung vermeiden. Nano soll aber auch die Energiewirtschaft revolutionieren, etwa durch effektivere Solarzellen oder Brennstoffzellen. In der Landwirtschaft liegen die Hoffnungen auf gezieltere Einsatzmöglichkeiten von Pestiziden oder Dünger durch Einschluss in Nanoteilchen.

Viele Experten warnen mittlerweile aber auch vor nachteiligen Wirkungen von Nanoteilchen auf die menschliche Gesundheit, etwa durch Einatmen oder Aufnahme der winzigen Partikel über die Haut. Tatsächlich gibt es erste seriöse Tierversuche, die Nanoteilchen etwa Entzündungspotenzial bescheinigen. Durch die geringe Größe dringen Nanopartikel besonders tief bis in die feinsten Verzweigungen der Lunge ein und könnten dort - vergleichbar mit Asbest - allerlei unliebsame Vorgänge auslösen. Auch eine Verschleppung der Teilchen über die Blutbahn in den ganzen Körper ist möglich.

Skandale um jeden Preis vermeiden

"Bis jetzt ist Nano positiv besetzt", sagt Torgersen. Deshalb tauche das Wort auch immer öfter in der Werbung auf. Trotzdem gebe es die Angst, dass irgendetwas passiert, was die neue Technologie in Verruf bringt. Deshalb seien auch viele Unternehmen dafür, dass man Risikoforschung betreibt. "Es geht darum, Skandale zu verhindern." Man wolle vermeiden, dass sich die Geschichte wiederholt und dasselbe passiert wie mit der grünen Gentechnik (Gentechnik bei Pflanzen, Anm.), die von vielen abgelehnt wird, so der Experte für Technikfolgen-Abschätzung.

Derzeit gibt es noch relativ wenig Produkte, die mit Nanotechnologie hergestellt werden. Wann der große Durchbruch kommt, ist noch unklar. Torgersen rechnet damit, dass es rund 20 Jahre dauern kann, bis Nano flächendeckend unser Leben verändert. Nur weil etwas im Labor funktioniert, heißt das noch nicht, dass man in Kürze eine fertige Anwendung für den Massenmarkt hat. "Nehmen wir als Vergleichsbeispiel die Mikroelektronik. Halbleiter und Schaltkreise gab es schon in den 50er Jahren, allerdings hat es dann sehr lange gedauert, bis überall private Computer herumstanden", betont der Technikfolgen-Experte.

Die Forscher und Unternehmen werden sich von der langen Zeitspanne jedoch nicht abhalten lassen. Denn die Nanotechnologie gilt als die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhundert, um den Wohlstand zu sichern. Das Wettrennen der Industrienationen um die Vorherrschaft bei der neuen Technik hat in Wahrheit längst begonnen. "Jeder Staat muss wegen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit die Nanotechnologie fördern", so Torgersen.