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Moderne Schulbauten lassen neue Unterrichtsmethoden zu.
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Wien. Acht Uhr am Morgen. Die Glocke läutet. 32 Kinder verteilt auf vier Reihen zu je acht Schülern nehmen Platz und lauschen dem Vortrag der Mathematik-Lehrerin über den Satz des Pythagoras. Nach 55 Minuten schrillt die Glocke wieder. Dieses Mal zur Pause. Schnell wird noch die Hausübung diktiert. Die Schüler strömen auf den Gang, oder bleiben gleich sitzen, holen die Bücher für die folgende Stunde aus dem Bankfach, Englisch steht am Stundenplan.
Diese Geschichte, die sich irgendwann zwischen 1985 und 1993 in einem Linzer Gymnasium zugetragen hat, haben die meisten, die jetzt die "Wiener Zeitung" lesen, so oder so ähnlich erlebt. Das ist längst vergangen, die Zukunft sieht ganz anders aus.
Verschwimmende Lern- und Ruhephasen
Da ziehen sich zum Beispiel drei Schüler in Nischen zurück, die im Klassenzimmer integriert sind, um in ihren Büchern zu lesen und die Referate vorzubereiten. Vorne am Smartboard mit Beamer steht die Lehrerin mit vier weiteren Schülern und wiederholt noch einmal den Satz des Pythagoras. Der Rest der Klasse ist in Kleingruppen im Raum verteilt und arbeitet an einem Projekt.
Für jene, die das erste Szenario noch lebendig im Kopf haben, scheint diese Zukunft nichts mehr mit Schule zu tun zu haben. Doch Lernen und Freizeit werden durch die Ganztagsbetreuung immer mehr verschwimmen. Außerdem fordern Eltern immer wieder, dass Kinder individuell gefördert werden und nicht permanent mit ihrer schwachen Seite beschäftigt sein sollten.
"Eine zeitgemäße Schule, die den Erfordernissen gerecht wird, die das Lernen jetzt mit sich bringt, die muss einmal flexibel sein", sagt auch Heidi Schrodt, ehemalige AHS-Direktorin und Mitglied der Plattform "Schulumbau": "Es darf keine starren Räume mehr geben. Ein großer Raum muss in kleine Einheiten verändert werden können. Es braucht einen Raum für Plenareinheiten oder Theatervorstellungen. Und es muss dann Räume geben, in denen man in kleinen Gruppen arbeiten kann. Außerdem braucht es Nischen, die einzelnen eine Rückzugsmöglichkeit geben", führt sie weiter aus.
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Modernisierung durch mehr Ganztagesbetreuung
Ihre Vision einer Schule der Zukunft orientiert sich am schwedischen Modell der "Skolan 2000". Dort werden die Kinder in Verbänden von jeweils drei Jahrgängen zwischen null und 15 Jahren von jeweils 25 Pädagogen betreut. Wichtig ist dabei für Schrodt auch, dass die Pädagogen "nicht nur einen Arbeitsplatz haben, sondern auch Internet-Anschluss. Da kann man natürlich gut in der Schule arbeiten."
Im Zuge des Ausbaus der Ganztagesangebote muss das Konzept der Schulgebäude angepasst werden. Um Schülern und Lehrern als ganztägiger Aufenthaltsort zu dienen, braucht es Freiräume, es muss dort gelernt, gegessen, Freizeit gestaltet werden können. Für den Ausbau der Ganztagsschulen stehen aus den Mitteln des Unterrichtsministeriums bis zum Schuljahr 2014/15 jährlich 80 Millionen Euro zur Verfügung. Pro Betreuungsgruppe gibt es 50.000 Euro für Infrastrukturverbesserungen und 8000 Euro für das Betreuungspersonal. Damit soll das Angebot von derzeit 105.000 Plätzen auf 160.000 Plätze innerhalb von vier Jahren aufgestockt werden.
Was die Bundesschulen betrifft, hat das Unterrichtsministerium 2009 ein Schulentwicklungsprogramm bis 2018 mit einem Gesamtumfang von 1,7 Milliarden Euro vorgelegt. 41 Projekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 284,5 Millionen Euro sind bereits fertig. Rund 20 Prozent der Investitionen (140 Millionen Euro) fließen laut Ministerium in neue Schulstandorte, das sind 17 Projekte.
Beim Umbau einer Schule zu einer Ganztageseinrichtung macht es einen Unterschied, welchem Konzept eine Ganztagsschule folgt: "Sind Lernen und Freizeit verschränkt, oder ist das geteilt in Lernen am Vormittag und Freizeit am Nachmittag. Das sind zwei verschiedene Formen, die auch räumlich einen großen Unterschied machen", erklärt Karin Schwarz, Leiterin des Österreichischen Instituts für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS).
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Cluster-Prinzip und Marktplätze
Das Institut kann zwischen Lehrern und manchmal auch Schülergruppen und Architekten eine Vermittlerrolle einnehmen, wenn es um Sanierungen oder Neubauten von Schulen geht. Auch im Vorfeld des Campus Hauptbahnhof war das ÖISS beteiligt. "Wir versuchen das, was die Nutzer sagen, wie sie künftig arbeiten, unterrichten, den Schulalltag gestalten wollen, in ein räumliches Konzept umzusetzen", so Schwarz. Sie bemerkt eine Veränderung bei den Anforderungen in den vergangenen Jahren: "Im Pflichtschulbereich gibt es ein Festhalten an so etwas wie einer Stammklasse für jüngere Kinder als Ansprechort. Aber es geht auch um zusätzliche Räume für offenes Lernen, darum, klassenübergreifende Kooperationen zu stärken", meint Schwarz.
Ein Ort, an dem das ab dem Schuljahr 2014/15 möglich sein wird, ist zum Beispiel der geplante Schulcampus am Gelände des neu entstehenden Hauptbahnhofs. Hier sollen Kindergarten, Volks- und Hauptschule entstehen, Kinder von 0 bis 14 Jahren gemeinsam in die Schule gehen. Damit ein Kind, das ab dem Krabbelalter möglicherweise 14 Jahre seines Lebens an einem Ort verbringt, sich dort in dieser Zeit wohlfühlen und entwickeln kann, muss das Gebäude schon einiges zu bieten haben. So wurde der Campus im "Cluster"-Prinzip geplant, erklärt Lilli Pschill von PPAG Architekten, die den Wettbewerb zum Bau des Schulcampus gewonnen. Das heißt, dass die Räumlichkeiten jeweils rund um einen zentralen Platz, den "Marktplatz", angeordnet sind.
Um den Übergang zwischen Kindergarten, Volksschule und Hauptschule zu erleichtern, sind gemeinsame Räume, ein Mehrzwecksaal und eine Bibliothek eingeplant. In den einzelnen Klassenzimmern sind "Nester", kleinere, erhabene Rückzugsorte, und Nischen vorgesehen, die das Lernen für einzelne ermöglichen sollen. Durch die Möblierung mit Tischen, Hockern und Sesseln, die sich leicht umstellen lassen, wird es hier in Zukunft die Möglichkeit geben, verschiedene Lernsituationen innerhalb eines Raums zu schaffen.
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Sanierungen als Modernisierungsschub
Nicht nur die einheitlichen Klassenzimmer, auch der Gang, an dem diese aufgefädelt sind, gehört immer mehr der Vergangenheit an. Nicht immer können aber Schulen, die nach diesem Konzept gebaut wurden, einfach abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, der den modernen Anforderungen entspricht. Doch auch mit Sanierungen kann man viel machen. Irene Prieler vom Architekturbüro Grundstein hat gerade eine Schule in Linz saniert. Sie erzählt, wie es mit relativ einfachen Mitteln geschafft wurde, das Raumklima zu verändern.
Durch neue Materialien wurde es möglich, die Akustik in den Klassen zu verbessern. Die Beschattung wurde so gestaltet, dass durch Lichtlenk-Lamellen die Sonne im unteren Bereich draußen gelassen wird, im oberen Bereich kann sie aber durch. So wird es im Sommer nicht zu heiß, gleichzeitig ist es hell, ohne dass das Licht aufgedreht werden muss. Zusätzlich wird nun durch eine kontrollierte Raumbelüftung dafür gesorgt, dass es einen permanenten Sauerstoffaustausch in den Klassen gibt - so können sich Schüler und Lehrer besser konzentrieren. "Bei einer Führung durch das Gebäude vergangene Woche sagte eine Lehrerin, dass die Kinder in der neuen Schule viel ruhiger und entspannter sind. Und sie selbst geht jetzt viel lieber in die Schule", sagt Prieler erfreut.
Das ÖISS führt in seinem Jahresbericht ebenfalls einige gelungene Projekte an. Positiv hervorgehoben wird hier zum Beispiel der Neubau der Volksschule im oberösterreichischen Wels-Mauth als Passivhaus, wo den Kindern das gesamte Schulgebäude als Lern- und Lebensraum zur Verfügung steht. Vor allem die zentrale Aula hat kindgerechte Dimensionen, einladende Sitzstufen und bietet eine angenehme Aufenthaltsqualität.