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Zweifellos eine verlockende Utopie: "In der sozialen Demokratie durchdringen demokratische Prinzipien alle Bereiche der Gesellschaft." Steht so unter Punkt III.7. des aktuellen SPÖ-Parteiprogramms.
Da am Samstag das statutengemäße Hochamt der Kanzlerpartei ansteht und vor dem Hintergrund dieses schönen Satzes, lässt sich trefflich darüber streiten, ob demokratische Prinzipien tatsächlich für sämtliche Gesellschaftsbereiche geeignet sind, zumindest für Parteien sollten sie allerdings schon gelten.
Es zählt zu den gröberen Paradoxien unseres "Systems", dass ausgerechnet die Parteien, die zentralen Träger der repräsentativen Demokratie, demokratische Prinzipien für äußerst entbehrlich erachten. Die wichtigsten politischen Entscheidungen fallen in kleinstem Rahmen in irgendwelchen Hinterzimmern; in den Führungsgremien wird, wenn überhaupt, erst darüber abgestimmt, wenn auch die notwendige Mehrheit bereitsteht. Parteien sind so gesehen das getreue Spiegelbild eines straff hierarchisch geführten Wirtschaftskonzerns - mit der bemerkenswerten Ausnahme, dass der mächtigste Vertreter nicht zwingend ganz oben an der Spitze steht.
Wer eigenständiges politisches Denken für verzichtbar hält, muss nur einer der etablierten Parteien beitreten. Hier wird Widerspruch gegen die gerade aktuelle Parteilinie - wie auch immer diese zustande gekommen ist - als Verstoß gegen die Spielregeln betrachtet. Wer wirklich mitreden will, muss quasi eine Partei in der Partei gründen, Widerstände überwinden, organisieren und kampagnisieren.
Das Spannungsverhältnis zwischen einer von gesellschaftspolitischen Idealen getragenen Gesinnungsgemeinschaft und einer professionellen, auf Machtgewinn ausgerichteten Organisation lässt sich nicht einfach wegdiskutieren. Allerdings sind Annäherungen der beiden Extreme durchaus möglich - und in der Praxis durchaus erprobt; nur eben nicht in Österreich.
Es stimmt: Mehr innerparteiliche Demokratie macht Regieren mühsamer, verlangsamt sowohl Willensbildungs- als auch Entscheidungsprozesse, verstärkt wahrscheinlich sogar die Polarisierung und erschwert so wiederum notwendige Kompromisse in Koalitionen. Allerdings steht nirgendwo geschrieben, dass Demokratie dazu da ist, es den Politikern einfacher zu machen.