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Schöne Worte, Blumen, Kerzen und Schweigen sind eine Flucht aber keine Lösung

Von Gerhard Männl

Leserforum

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"In unserer Nachbarschaft leben unterschiedliche Menschen, mit unterschiedlichen Backgrounds, und viele sprechen unterschiedliche Sprachen. Gemeinsam lassen wir es nicht zu, dass diese Tat von Menschen instrumentalisiert wird, um gegen Mitmenschen zu hetzen, die Teil unserer Gemeinschaft sind. Denn wir lassen uns nicht auseinanderdividieren! Auch in Zukunft soll uns der gegenseitige Respekt verbinden."
Mit diesen Worten wurde dem Brunnenmarkt-Opfer gedacht.
Schöne Worte, die pathetisch klingen, aber eher eine hohle Absichtserklärung als eine ernstzunehmende Ankündigung darstellen.
Ist dieses, "gemeinsam lassen wir es nicht zu, dass diese Tat von Menschen instrumentalisiert wird, um gegen Mitmenschen zu hetzen, die Teil unserer Gemeinschaft sind," nicht selbst ein Versuch, eine bestimmte Weltanschauung weiterhin ungeprüft zu instrumentalisieren, um gegen Mitmenschen, die Teil unserer Gemeinschaft sind, zu hetzen? Sind Stimmen, die mehr Sicherheit fordern, die fordern, dass derartige Verbrechen mit allen Mitteln verhindert werden, automatisch rechtsradikal? Bekommt der Mord mit diesem "gemeinsam lassen wir es nicht zu, dass diese Tat von Menschen instrumentalisiert wird, um gegen Mitmenschen zu hetzen, die Teil unserer Gemeinschaft sind," einen Sinn? Und wie kommen solche Aussagen bei den Angehörigen des Opfers an?
Auch wenn zwischen Töten aus böser Absicht oder infolge eines Unfalls schon immer unterschieden wurde, so ist die Zeit, in der galt, die Tat tötet den Mann, schon lange vorbei. Ein Tötungsdelikt wird nicht mehr nach den äußeren Umständen, sondern nach der inneren Tatseite des Täters beurteilt. Ob und was sich zur Zeit der Tat der Täter dachte, werden sicherlich Sachverständige feststellen. Ob und was sich die Verantwortlichen der staatlichen Ordnungsmacht über die objektive Sicherheit zur Zeit der Tat dachten, wird vermutlich nicht aufgriffen werden. Ob und was die Politik über die Risiken der öffentlichen Sicherheit wusste, wird wahrscheinlich nicht einmal angedacht werden.
Hier bleibt zu hoffen, dass die ventilierten Klagen des Witwers zumindest ansatzweise Klarheit bringen werden, welche Aufgaben und Verantwortlichkeit dem Staat hinsichtlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit treffen, und mit welcher Sanktion der Staat rechnen muss, wenn er seinen Aufgaben nicht ausreichend nachkommt. Können nach Meinung der Gerichte nur einzelne Organe schuldhaft handeln oder auch Institutionen?
In der Vergangenheit wurde immer wieder insbesondere Einrichtungen der Kinder- und Jugendwohlfahrt ein Persilschein ausgestellt. Egal, wie intensiv sich ein - auch von Ärzten gewarntes - Jugendamt um ein Kind gekümmert hat, es gab nie gerichtliche Konsequenzen, wenn das Kind gefoltert, missbraucht oder sogar ermordet wurde. Nur im "Fall" Luca wurde eine Bedienstete vom Erstgericht zu 8 Monaten bedingt verurteilt. Das Obergericht sprach die Bedienstete - mit dem Hinweis, nicht die einzelne Sozialarbeiterin, sondern das gesamte System sei "schuld" - frei. Außer dem Freispruch gab es keine gerichtlichen Entscheidungen! Als Folge wurde z.B. das Vier-Augen-Prinzip eingeführt. Solche "Verbesserungen" konnten selbstverständlich nicht verhindern, dass weiterhin "intensiv betreute Kinder" gefoltert und ermordet wurden (und werden?).
In Indien kam es 2012 nach der Gruppenvergewaltigung der 23-jährigen Jyoti Singh Pandey zu Protesten, die ein Umdenken einleiteten.
Welche Stimmen haben nun recht? Die, die meinen, "gemeinsam lassen wir es nicht zu, dass diese Tat von Menschen instrumentalisiert wird, um gegen Mitmenschen zu hetzen, die Teil unserer Gemeinschaft sind," oder die, die striktere Konsequenzen fordern? Vielleicht wäre die Lösung eine Symbiose beider Ansichten, die zu einem "lasst uns gemeinsam für unser aller Sicherheit Sorge tragen" führt. Aber leider scheinen heutige Ideologien keine Gemeinsamkeit mit Andersdenkenden zuzulassen. Nicht einmal der Tod einer Ehefrau, Mutter und Großmutter, so kurz vor dem Muttertag, dürfte die hohlen Worthülsen aufbrechen, um lösungsorientierten Diskussionen über die Gefahren für unsere Gesellschaft und deren mögliche Beseitigung Platz zu machen.
Vielleicht wird diesmal ein Höchstgericht mit der Frage, welche Sicherheit hat der Staat zu garantieren, betraut werden.