Wie die Mächtigen der Welt ein paar Mini-Staaten wie Österreich, Luxemburg und die Schweiz abqualifizierten, passt schlecht in das Bild des gemeinsamen Aufbruchs.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ein paar gewiefte Piloten der 27er-EU fummeln behände an Instrumentarien herum, die nicht einmal zum Cockpit ihres eigenen Vehikels gehören, aber zum Nachteil einiger und zumeist kleiner EU-Staaten missbraucht werden.
Da gibt es beispielsweise den G-20-Gipfel, der alles andere als identisch mit der EU ist, denn nur vier EU-Staaten sind auf ihm vertreten. Er tagte in London und hat gewiss wichtige Beschlüsse gefasst. Wie der Zufall wollte, trat in kontinentaler Nähe auch noch die Nato zum Jubiläum zusammen, und am Ende der ereignisreichen Gipfelwoche fanden EU und USA in Prag zueinander, was längst überfällig war. Die Leute, die an allen drei Ereignissen in wechselnder Besetzung teilnahmen, betrieben offenbar eine Art Car-sharing, um rasch und ökologisch sauber zu reisen und dennoch rechtzeitig anzukommen.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) war nur indirekt vertreten, weil ihre Mitglieder sowieso weitgehend identisch mit EU-, Nato- und EU-USA-Gipfelteilnehmern sind. Somit konnte sich die OECD, der 30 Staaten angehören, darauf konzentrieren, an allen drei Orten unauffällig Listen zu verteilen: schwarze, graue und weiße.
Diese unerwartete Dienstleistung der OECD-Bürokratie kam bei den Steuermännern und -frauen der Gipfelkonferenzen ausgesprochen gut an. Menschen wie Nicolas Sarkozy, Angela Merkel und Gordon Brown lenken in ihrem beruflichen Leben nicht nur Staatsschiffe, sondern lassen auch Steuern eintreiben. Davon kommt ja das Wort "Steuermann", wie der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, ein Mann mit Wildwesterfahrung, bereitwillig bestätigen wird.
Als Österreicher kann man sich die Inszenierung der drei Gipfelkonferenzen innerhalb einer halben Woche eigentlich nur auf der großen Bühne der Salzburger Festspiele vorstellen. Vorspiel: Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy schlägt vor, dass ein G-20-Gipfel stattfinden solle. Hierauf simultan auf drei Bühnensegmenten: Unter den G-20 kursieren die ersten grauen und schwarzen Listen staatlicher Steueroasen, werden aber rasch um ein paar peinliche Titel bereinigt - Hongkong, Macao und Delaware kann man ja wirklich nicht bloßstellen, wenn China und USA mit am Tisch sitzen. Frankreich und Großbritannien sind hilfreich dabei, solche Schnitzer zu beseitigen.
Das ist rasch erledigt, Sarkozy schreitet weiter und lässt sich angesichts des neuen Honeymoons zwischen Frankreich und den USA nun auch (so wie überall) gerne in der Nato sehen. Das haben nicht alle französischen Staatspräsidenten so gehalten. Er wird mit Begeisterung empfangen.
Schließlich vereinigen sich die vier EU-Repräsentanten mit dem bisher ausgesperrt gewesenen Rest von 23 minder wichtigen EU-Staaten und feiern gemeinsam mit dem amerikanischen Präsidenten das Glück der neuen Weltordnung.
Inzwischen ist das Fest vorbei. Ein paar EU-Mitglieder wie Luxemburg und Österreich, aber auch die Schweiz, die kein einziges Mal auf die Bühne durfte, müssen ihre hypothetischen Verfehlungen im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis ab sofort abarbeiten. Das ist von jenen beschlossen worden, die von Anfang an auf den Brettern standen, die die Welt bedeuten.
Vermutlich kam dabei das Europa der zwei Geschwindigkeiten voll zu Geltung. Kluge Orts- und Zeitveränderungen bewirken, dass zurückbleibt, wer nicht erwünscht ist. Da braucht man nicht lang diskutieren.