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15 Prozent der überwinternden | Vögel am Mittelmeer werden illegal erlegt. | EU-Recht wird oft nicht eingehalten. | Wien. Der Frühling ist die Zeit der rückkehrenden Zugvögel. Wenn Rotkehlchen, Hausrotschwanz und Mönchsgrasmücke von den Wintergebieten am Mittelmeer zum Brüten nach Mitteleuropa zurückkommen, ist das Frühjahr da.
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Aber bei weitem nicht alle der im Herbst in den Süden aufgebrochenen Vögel kehren zurück. Viele überleben die Strapazen des Zuges nicht, viele fallen aber auch der Jagd zum Opfer. Eine groß angelegte Studie, die sich auf den EU-Raum bezieht, spricht von hundert Millionen ziehenden Vögeln - darunter mehr als 30 Millionen Singvögel -, die pro Jahr von Jägern geschossen werden. Laut Bonner Komitee gegen den Vogelmord könnte man mit allen in einem Jahr geschossenen Tieren eine Strecke von rund 41.000 Kilometern Vogelleichen legen.
Doch sind das nur die offiziell und legal erlegten Vögel. Hinzu kommen mehrere hundert Millionen illegal gefangene Wildvögel, die ihr Leben für Trophäensammler und Hobbyjäger lassen müssen. Viele Singvögel landen dann als Delikatessen im Kochtopf.
Die Vogelschutzorganisation BirdLife International geht davon aus, dass etwa 15 Prozent der im Mittelmeerraum überwinternden Vögel illegal gefangen und getötet werden. Laut EU-Recht ist die Jagd dann illegal, wenn sie während der Schonzeit erfolgt, es sich um gefährdete Arten handelt oder unspezifische Methoden, wie Leimruten, Klappnetze, Schlingen und der Einsatz von lebenden Lockvögeln (siehe Infokasten), zum Einsatz kommen.
Papier ist geduldig
Doch vielfach wird das einfach ignoriert. Die Umsetzung der Richtlinie obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten und in nicht wenigen widersetzen sich ganze Regionen der Richtlinie. Gründe dafür gibt es viele. Zum einen: Papier ist geduldig. "Es können Jahre vergehen, bis Klagen die EU-Instanzen durchlaufen haben", so Gabor Wichmann von BirdLife Österreich.
Außerdem sei es in vielen Staaten ein brisantes Politikum: "Die Jäger-Lobbys sind oft stark. Allein in Frankreich gibt es 1,3 Millionen Jäger." Vertragsverletzungsverfahren und drohende Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof würden deshalb wahrscheinlich einfach in Kauf genommen.
Auch auf Malta wollte man es sich mit den 14.000 registrierten Jägern und 8000 Fallenstellern (das sind immerhin 17 Prozent der Wahlberechtigten) nicht verscherzen. Darum erlaubt die maltesische Regierung noch immer die sehr umstrittene Frühlingsjagd auf Wachteln und Turteltauben. Durch eine Beschwerde der Vogelschutzorganisation BirdLife drohen Malta nun empfindliche Strafen.
Warnfrist verstrichen
Im Falle einer Verurteilung könnten Strafzahlungen in Millionenhöhe festgesetzt werden. "Die erste Verwarnung durch die europäische Kommission ist bereits verstrichen, die zweite wird es in den nächsten Wochen geben, wenn Malta nicht reagiert", erzählt Konstantin Kreiser, Leiter der politischen Abteilung von BirdLife International. "Normalerweise lenken die Staaten dann aber doch vorher ein", so der Experte.
Auch in Nord-Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und auf Zypern werden bedrohte Arten bejagt und Schonzeiten missachtet. Mitunter gibt es aber auch genehmigte Ausnahmeregelungen. Vogelschützer argumentieren, dass dies oft unter dem Deckmantel des "kulturellen Erbes" geschieht und vielerorts dann ganz legal mit steinzeitlichen Methoden gejagt wird. Beispielsweise dürfen in einigen Gegenden Südfrankreichs aus Gründen der Tradition Steinquetschfallen aufgestellt werden. Dabei werden die Vögel mittels zweier großer Steinplatten zerquetscht. Jeder Jäger kann damit 100 Drosseln fangen.
Rückläufige Bestände
Die Bestände vieler Arten sind stark rückläufig. Mehr als 200 der 500 in Europa brütenden Vogelarten befinden sich in einem "ungünstigen Erhaltungszustand". Nach Ansicht der Experten hat das mehrere Ursachen: Lebensraumverlust durch zunehmenden Landschaftsverbrauch und Intensivierung der Landwirtschaft, Verwendung von Umweltgiften und - die Verfolgung durch den Menschen. Während sich die Jägerlobby das Hochhalten der Traditionen auf ihre Fahnen heftet und vielerorts auch weiterhin gegen EU-Recht verstoßen werden wird, sieht es Gabor Wichmann differenzierter: "Das Problem ist, dass auf der einen Seite der Lebensraumverlust mehr und mehr ansteigt. Auf der anderen Seite geht die Jagd aber wie eh und je unvermindert weiter."
Wissen: Die EU-Richtlinie
Grundsätzlich ist seit 1979 das Töten und Fangen der europäischen Wildvögel EU-weit untersagt. Vor dem Hintergrund von rückläufigen Bestandszahlen wurde damals die Vogelschutzrichtlinie erlassen. Sie dient der Erhaltung der wild lebenden Vogelarten sowie von deren Lebensräumen in der Europäischen Union. Neben dem Schutz der Vogelbestände regelt die Richtlinie auch deren Nutzung durch Handel und Jagd: Für bestimmte Arten existieren Ausnahmeregelungen zur Jagd. Diese dürfen dann zu gewissen Zeiten (nicht zur Brutzeit oder während des Frühjahrszugs) erlegt werden.
Sämtliche Mittel, Einrichtungen und Methoden, mit denen Vögel in Mengen oder wahllos gefangen oder getötet werden (wie Schlingen, Leimruten, Haken, als Lockvögel benutzte lebende Vögel) sind verboten.