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Schonzeit für Pensionisten

Von Clemens Neuhold

Politik

ÖVP will keinen Beitrag von Pensionen zur Steuerreform. Sie legt sich mit der Beamtengewerkschaft und Subventionsempfängern an.


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Wien. Noch 22 Tage bis zur Steuerreform. Würde an jedem Tag ein Streitpunkt zwischen ÖVP und SPÖ ausgeräumt, es ginge sich nicht aus. Zu umfangreich ist der Katalog an Ideen, die der eine beste Regierungsfeind dem anderen vor den Latz knallt. Und auch die generelle Frontlinie zwischen Rot und Schwarz hat sich kaum verschoben. Die ÖVP sagt, um die Lohnsteuer um fünf Milliarden Euro zu senken, braucht man nur zu sparen. Die SPÖ sagt, um die breite Masse an Steuerzahlern zu entlasten, müssen auch die Reichen stärker belastet werden.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner zog dieses Mantra der SPÖ beim Ministerrat am Dienstag durch den Kakao oder besser gesagt, durch den Energy Drink. "Es ist ein Wunschglaube, dass das reichste Prozent der Bevölkerung die Steuerreform bezahlt und 99 Prozent profitieren." Die fünf Milliarden Euro müssten nämlich nicht einmalig, sondern jährlich aufgetrieben werden. "So viel Red Bull kann ich gar nicht trinken", spielt Mitterlehner auf den Parade-Reichen, "Red Bull"-Boss Didi Mateschitz, an.

Die Art, wie Kanzler und Vize sich daraufhin vor goldener Kulisse und in Ellbogennähe Unfreundlichkeiten ausrichten, ohne sich zu erwähnen und anzublicken, ist oscarreif. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann reagiert mit eindeutigem Mienenspiel und fragt in Richtung Publikum, wann die ÖVP gedenke, ihrerseits konkrete Spar-Vorschläge zu präsentieren. Man sei ihr entgegengekommen, weil man auf eine "Vermögenssubstanzsteuer" (vulgo Reichensteuer) verzichte.

Die "Wiener Zeitung" hat Mitterlehner nach dem Ministerrat befragt. Den großen Brocken Pensionen will dieser bis 17. März unangetastet lassen. Dort sei "kurzfristig nichts zu holen", da die nächsten Pensionserhöhungen ohnedies schon nahe an der Inflation lägen. Generell hält die ÖVP aber an ihrem Ziel fest, das Pensionsantrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln (Pensionsautomatik) und das Frauenpensionsantrittsalter früher an jenes der Männer anzupassen. Doch diese Streitpunkte will man offenbar auf die Zeit nach der Steuerreform verlagern, denn die SPÖ ist strikt dagegen.

Mitterlehner bekräftigt aber das von Finanzminister Hans Jörg Schelling ausgegebene Ziel, bei den Beamten zu sparen. Laut Schelling solle der Kostenanstieg für Personal von jährlich 2,9 auf 1,9 Prozent gesenkt werden. Das würde bis 2020 bis zu 3,3 Milliarden Euro bringen. Damit legen sich die beiden, dem Wirtschaftsflügel der ÖVP zuzurechnenden Politiker, mit der eigenen Klientel an. Auch in Richtung der ÖVP-dominierten Beamtengewerkschaft beklagte Mitterlehner zuvor im Ministerrat die "Kaskade an Besitzstandswahrern", die nach einer Steuerreform rufen, bei sich aber nicht sparen wollen.

Als zweites Sparziel nennt Mitterlehner die Förderungen. Als Ziel hat sich die ÖVP 500 Millionen Euro des fast 20 Milliarden Euro großen Förderkuchens gesteckt. Darin sind Arbeitsmarktförderungen enthalten, die angesichts der Tristesse am Jobmarkt aber wohl nicht gekürzt werden oder die steuerliche Begünstigung für das 13. und 14. Monatsgehalt, die ebenso tabu ist. Fünf Milliarden entfallen auf die wenig flexible Spitalsfinanzierung, die aus technischen Gründen als Subvention verbucht werden.

Bleiben Förderungen für den Agrarsektor, die Kultur, die Wirtschaft genauso wie für die Parteien, den Sport oder den Tourismus. Zwei Highlights aus dem Dickicht des Förderdschungels: Die Anschaffung von Elektrofahrrädern und Mehrwegwindeln wird genauso unterstützt, wie die Tracht von Kärntner Kapellen. Letzteres gilt als Länderförderung. Diese seien "Sache der Länder", l Mitterlehner will hier nicht eingreifen.

Auch Unternehmen sollen von geplanten Kürzungen nicht sonderlich betroffen sein, meint der Vizekanzler im Gespräch. Wer dann? Das will er noch nicht spezifizieren. Der Förderexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts, Hans Pitlik, plädiert für den Rasenmäher: Es gibt keine Förderung oder Subvention, die nicht irgendeine spezielle Empfängergruppe begünstigt. Jede Kürzung wird politischen Widerstand auslösen. Bei Subventionskürzungen besteht deshalb immer das Risiko, dass diejenigen, die politisch am einflussreichsten und am besten organisiert und vernetzt sind, ,ungeschoren‘ davon kommen."

Insofern gäbe es keine ideale politische Kürzungsstrategie. Der Vorteil einer "Rasenmähermethode" ist, dass alle gleichermaßen getroffen werden und die Lasten somit eher verteilt werden.