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Schottland nimmt neuen Anlauf zur Selbstbestimmung

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Die schottische Regierung hält an ihrem Zeitplan für ein neues Unabhängigkeitsreferendum fest. London will davon nichts wissen.


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Edinburgh.Schottland will sich nicht länger eine Zukunft von London "aufzwingen" lassen. Stattdessen soll es seinen Weg selbst wählen dürfen. Mit dieser Erklärung vor dem schottischen Parlament hat Regierungschefin Nicola Sturgeon jetzt der britischen Regierung das Recht zu einem neuen schottischen Unabhängigkeitsreferendum abgefordert - "im Lichte des tiefgreifenden Wandels, der unserem Land bevorsteht". Um den "demokratischen Willen" Schottlands zu unterstreichen, wollte Sturgeon eigentlich am Mittwoch parlamentarische Rückendeckung suchen. Doch nach dem Anschlag in London wurden die Debatte und die Abstimmung in Edinburgh vorerst abgesagt.

Außer von der Schottischen Nationalpartei (SNP), die die Regierung in Edinburgh stellt, wird Sturgeons Verlangen auch von den britischen Grünen unterstützt. Damit weiß die SNP-Chefin eine knappe Mehrheit der schottischen Volksvertretung hinter sich. Mit diesem Mandat soll nun London zur Bewilligung eines weiteren Unabhängigkeitsreferendums gedrängt werden. 2014 hatten 55 Prozent für Verbleib im Vereinigten Königreich gestimmt.

Für die britische Regierung ist der Vorstoß der Schotten, just eine Woche vor der offiziellen EU-Austrittserklärung durch Premierministerin Theresa May, zum Problem geworden. May hat bereits erklärt, für ein solches Referendum sei "jetzt nicht die richtige Zeit". Einen formellen Antrag des schottischen Parlaments kann London aber, aus politischen Gründen, nicht ignorieren. Eine prinzipielle Ablehnung des Antrags wäre gleichbedeutend mit dem Bescheid an die Schotten, dass schon ihre heutige Selbstverwaltung nichts gelte. Allerdings kann May den schottischen Plan verzögern und erschweren.

In der neu proklamierten Referenderumsforderung hat Edinburgh nämlich eine feste Zeitspanne für die Volksabstimmung vorgesehen. Stattfinden soll sie zwischen Herbst 2018, sobald das Ergebnis der Austrittsverhandlungen mit der EU bekannt ist, und Frühjahr 2019, dem voraussichtlichen Datum für den Brexit.

Premierministerin May will von einer Zeitvorgabe nichts wissen. Vor dem EU-Austritt sei an ein schottisches Referendum nicht zu denken. Und am Ende der Verhandlungen müsse das Vereinigte Königreich als Ganzes die Europäische Union verlassen. Sturgeon hat signalisiert, dass auch ein etwas späterer Termin als der März 2019 für sie denkbar sei.

In der zweitägigen Debatte, die der gestrigen Abstimmung vorausging, machte die Schottin den erwarteten "harten Brexit" und die Behandlung dieser Frage durch London für die erneute Unabhängigkeitsinitiative verantwortlich. Beim EU-Referendum vorigen Jahres hätten 62 Prozent der Schotten für den Verbleib in der EU gestimmt: "Nun sollen wir gegen unseren Willen aus der EU gezerrt werden - mit massiven Folgen für unsere Wirtschaft, Gesellschaft und unseren Platz in der Welt."

Auf Kompromissvorschläge, die sie London unterbreitet habe, sei die britische Regierung nicht eingegangen, meinte Sturgeon. Statt Edinburgh an der Brexit-Planung zu beteiligen, wie sie es versprochen habe, habe May Schottland vollkommen ignoriert.

Scharf widersprachen die Unabhängigkeitsgegner in Holyrood der Referendumsforderung. Schottlands konservative Parteichefin Ruth Davidson klagte, die Schotten hätten die "Unabhängigkeits-Spielchen" der SNP "gründlich satt". Labours Kezia Dugdale meinte, Sturgeon benutze den Brexit als "neuste Ausrede", um ihren Absonderungs-Wahn umzusetzen. Allerdings räumte Dugdale ein, dass ein Referendumsbeschluss des schottischen Parlaments ein solches tatsächlich nach sich ziehen würde. Derselbe alte Streit wie 2014, klagte sie, komme nun wieder auf die Schotten zu.