In Edinburgh geht das Gespenst der Unabhängigkeit um. | SNP für eine Volksabstimmung. | London. (afp) In Schottland wird heute, Donnerstag, ein neues Parlament gewählt. Die Wahl gilt als wichtiger Meilenstein. "Die Zukunft Schottlands steht auf dem Spiel", erklärte der britische Premierminister Tony Blair im Vorfeld pathetisch. Dies mag etwas hochtrabend klingen, kommt aber nicht von ungefähr. Denn sollten die Nationalisten gewinnen, wollen sie per Referendum die Unabhängigkeit Schottlands erzwingen. Und in den Umfragen liegt die Schottische Nationalpartei SNP klar voran.
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Blair steht nur einen Tag nach seinem zehnjährigen Amtsjubiläum vor einer herben Niederlage. Derzeit hat seine Labourpartei von den 129 Sitzen im Parlament in Edinburgh 50 und damit den Spitzenplatz inne. Zusammen mit den Liberaldemokraten stellt Labour seit Gründung des schottischen Parlamentes 1999 die Regierung. Die SNP verfügt bisher nur über 27 Mandate, doch laut den letzten Umfragen vor der Wahl kann nun sie auf 50 Sitze im Parlament hoffen.
Der Sieg der Nationalisten wäre ein besonders harter Schlag auch für Blairs wahrscheinlichen Nachfolger Gordon Brown. Denn der ist Schotte - und steht wegen seines London-Zentralismus besonders in der Kritik. In seiner Verzweiflung warnte Brown unlängst gar vor einer "Balkanisierung" Großbritanniens. Außerdem will der Noch-Schatzkanzler errechnet haben, dass Schottland allein nicht überleben könnte und Bankrott gehen würde. Dies bezweifeln natürlich die Nationalisten. Ihr Parteichef Alex Salmond verweist dabei immer wieder gern auf die reichhaltigen Öl- und Gasvorkommen in seiner Heimat.
Doch letztlich geht es wohl nicht um Zahlen, sondern um ein Gefühl. Auch 300 Jahre nach dem Zusammenschluss mit England und Wales fühlen sich viele Schotten in Großbritannien nicht zu Hause. Einer ihrer prominentesten Vertreter, Schauspieler und Ex-James-Bond Sean Connery, rührte für die SNP kräftig die Werbetrommel.
Wenn sie an die Macht kommt, will die SNP innerhalb der ersten hundert Tage Pläne für ein Unabhängigkeits-Referendum vorlegen, das dann zusammen mit der Wahl 2010 stattfinden soll. Zwar bräuchten die Nationalisten dafür im Falle eines Wahlsieges wohl erst noch einen derzeit nicht so leicht auszumachenden Koalitionspartner - am wahrscheinlichsten ist ein Bündnis mit den Liberaldemokraten, das eine Unabhängigkeit strikt ablehnt. Bei Labour, der am Donnerstag auch ein Absturz bei den zeitgleichen Wahlen in Wales droht, schrillen dennoch die Alarmglocken. Und bei vielen Briten auch.