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Schräglage im All

Von Eva Stanzl

Wissen

Der Kometenlander Philae steht halbwegs stabil, aber schief. Dennoch führte er bereits Experimente durch.


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Wien. "Hallo! Neues aus dem Leben auf #67P - Gestern war es anstrengend. Effektiv habe ich drei Landungen durchgeführt: 16:33, 18:26 & 18:33 (MEZ)!", berichtet das Team des Philae-Landers der Europäischen Raumfahrtagentur ESA über den Kurzbotschaften-Dienst Twitter.

Am Mittwoch ist das europäische Mini-Labor Philae nach einer mehr als zehnjährigen Reise durch das All auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko gelandet. Die Landung ist eine Premiere in der Geschichte der Raumfahrt. Wissenschafter wollen mit der Mission namens Rosetta einen Blick in die Kinderstube des Sonnensystems werfen, das vor 4,6 Milliarden Jahren entstand. Kometen sollen weitgehend unverändertes Material aus dieser Zeit enthalten. Die Forscher suchen unter anderem nach organischen Elementen, die die Grundbausteine für Leben sein könnten.

Die Mission verlief allerdings nicht ohne Zwischenfälle. Denn nach dem Aufsetzen auf dem Kometen hatte Philae nicht nur einen, sondern gleich zwei Hopser hingelegt. "Der erste Sprung dauerte etwa zwei Stunden, der zweite rund sieben Minuten", berichtete Philae-Projektleiter Stephan Ulamec im Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur ESA in Darmstadt vor Journalisten am Donnerstag.

Derzeit keine Verankerung auf der Kometen-Oberfläche

Philae habe bei seiner ersten Landung zwar im Zielgebiet aufgesetzt, sei jedoch dann mit einer Geschwindigkeit von 38 Metern pro Sekunde wieder abgeprallt, so Ulamec. Der Lander sauste einen Kilometer in die Höhe und drehte sich dabei um die eigene Achse. Nun steht er außerhalb des geplanten Landegebiets.

Dabei hatte der Tag nach Plan begonnen: Am Mittwoch Vormittag hatte sich das einen Kubikmeter große Forschungslabor planmäßig von seinem Mutterschiff Rosetta getrennt und war aus 22,5 Kilometer Höhe zum Kometen mit dem Spitznamen Tschuri hinabgeschwebt. Erst nach der Landung passierte Unerwartetes: Zwei Harpunen, die Philae auf dem nahezu schwerkraftlosen Tschuri verankern sollten, wurden nicht ausgelöst, eine Düse zum Aufdrücken des Labors auf dem Kometen funktionierte nicht.

Der Chef des ESA-Flugbetriebs im Satelliten-Kontrollzentrum Esoc in Darmstadt, Paolo Ferri, betonte jedoch, dass Philae trotzdem auf dem Kometen bleiben werde. Selbst wo keine Gravitation herrscht, bleiben Objekte gewöhnlicherweise stabil. Einzig von außen einwirkende Kräfte, wie ausströmende Gase oder Sonnenwinde, könnten Philae destabilisieren. Diese seien jedoch in der Umgebung des Landeplatzes eher nicht zu erwarten. "Dass das Mini-Labor wieder abhebt, bezweifle ich sehr. Es ist zur Ruhe gekommen", sagte Ferri.

Laut den Forschern steht Philae allerdings nicht wie vorgesehen auf einer Ebene, sondern "wahrscheinlich auf einem stark geneigten Abhang". Dies würden erste Fotos vermuten lassen, die der Roboter von seinem Standort aus gesendet hat, wie Philippe Gaudon vom französischen Raumfahrtzentrum CNES erklärte. "Er scheint von Felsen umgeben" und dadurch "ziemlich blockiert" zu sein, fügte der CNES-Verantwortliche für die Mission hinzu.

"Was wir nun herausfinden müssen ist, was diese Position für uns bedeutet", betonte Koen Geurts vom Philae-Team des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Wir müssen schauen, wie wir die nominellen Funktionen modifizieren können, damit der Lander trotzdem seine wissenschaftlichen Messungen durchführen kann."

Derzeit arbeiten die Mitarbeiter des Philae-Teams daran, die entsprechenden Befehle zu erstellen, um sie dann zum Kometen schicken zu können. "Eine Maßnahme, um den Lander zu fixieren, könnte sein, die Ankerharpunen nachträglich jetzt noch auszufahren", erklärt Wolfgang Baumjohann, Direktor des Instituts für Weltraumforschung (IWF) in Graz. Diese Maßnahme berge aber die Gefahr, dass der Lander einmal mehr nach oben gedrückt würde, sobald die Harpunen in den Boden schießen. Das IWF ist an fünf der 21 Rosetta-Experimente beteiligt. Für die Ankerharpunen hat es Sensoren gebaut, die die Bodendichte des Kometen messen können. Am Landemechanismus selbst waren die Grazer Forscher aber nicht tätig.

Klar scheint auch, dass der mit Solarpaneelen verkleidete Lander weniger Sonnenlicht erhält, als erhofft. Derzeit läuft Philae auf Batterie. Seine Lebensdauer könnte dadurch kürzer sein als von den Forschern gewünscht.

Erste Fotos geknipst

Trotz der Unsicherheiten hat Philae bereits mit einigen seiner wissenschaftlichen Arbeiten begonnen. Schon in den ersten Stunden nach der Landung hätten wichtige Daten gesammelt werden können, sagte Ferri. Die ersten Bilder, die das Gerät zurückfunkte, hat das Instrument "Civa" an Bord gemacht. Sie zeigen die Landeeinheit in ihrer unmittelbaren Umgebung auf Tschuri. Neben den ersten Fotos sei es auch gelungen, das Tomographie-Projekt "Consert" zu starten. Dabei durchleuchten Philae und ihr Mutterschiff Rosetta den Kometen in Teamarbeit, um mehr über dessen Aufbau und Struktur zu erfahren.

Hätte man bei der Landung etwas besser machen können? "Ich glaube nicht", meint Baumjohann: "Dass die Harpunen im Moment der Landung versagen, konnte man nicht ausschließen. Man hatte sich entschieden, zu verankern, wenn zumindest zwei der drei Beine auf dem Boden stehen, und der Lander muss wohl abgeprallt sein, bevor beide Beine aufkamen." Eingreifen konnten die Forscher im Moment des Landemanövers übrigens nicht, da Funkbefehle in Lichtgeschwindigkeit reisen und das Signal fast eine halbe Stunde zum Kometen gebraucht hätte. "So gesehen können wir froh sein, dass das überhaupt geglückt ist", zeigt sich Baumjohann erleichtert.