Wen in Wien am Sonntag die unbändige Einkaufslust packt, der hat einen schweren Stand. Denn obwohl die Ladenöffnungszeiten in den letzten Jahren erheblich liberalisiert wurden - am "Tag des Herrn" müssen die Verkäufer und Verkäuferinnen nicht schuften. Anders in Wiens "Twin City" Bratislava.
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Nur 60 Kilometer von Österreichs Hauptstadt entfernt rollt allsonntäglich nicht der Rubel, aber die Slowakische Krone: Einkaufstempel aller Art haben zumindest bis spät in den Abend hinein geöffnet.
Wer dagegen in Wien am Sonntag erkennen muss, dass sein Kühlschrank leer ist, kann unter Umständen zwei Billa-Filialen - jene am Praterstern und am Franz-Josefs-Bahnhof - besuchen. Bis 19.30 Uhr ist geöffnet. Vor allem am Praterstern herrscht dann regelmäßig großes Gedränge, entnervte Angestellte machen den Sonntags-Einkauf zu einem höchst fragwürdigen Erlebnis. Immerhin: Die verordneten Rollbalken über bestimmte Produktgruppen sind mittlerweile verschwunden. Nur in der BIPA-Filiale am Franz-Josefs-Bahnhof kann man immer noch Waschmittel hinter Gittern betrachten.
Angesichts dieser dürftigen Möglichkeiten bleibt dem Konsumwütigen ein Ausweg: Er setzt sich kurzerhand ins Auto und spult die etwa 60 Kilometer ins benachbarte Bratislava ab. Dort empfängt ihn das "Shopping Center Aupark", wo es täglich zwischen 9 und 21 Uhr hoch hergeht. Auf drei Etagen verteilt gibt es Boutiquen aller Art, einen großen Supermarkt, sogar einen Afrika-Shop und das Elektrodrom, wo man Hi-Fi-Gerät aller Art erstehen kann. Ein Kino und eine Kinder-Krippe, wo Eltern die Kleinen zur Betreuung abgeben können, runden das Bild ab.
Eines fällt allerdings sofort auf. Die Kunden, die sich hier tummeln sind fast ausschließlich Slowaken. Autos mit österreichischem Kennzeichen muss man auf dem weitläufigen Parkplatz-Gelände mit der Lupe suchen. Woran das liegen könnte, zeigt ein Blick auf die Preisschilder: Elektro-Geräte und Kleidungsstücke sind alles andere denn billig. Dementsprechend ist die Zahl derer, die "nur schauen", größer als die jener, die wirklich zuschlagen. Die Beratung durch das Verkaufspersonal ist zwar bemüht, aber in den seltensten Fällen auf Deutsch. Pro Monat würden "ein- bis zwei Geräte an Österreicher" verkauft, schätzt ein Angestellter im Elektrodrom. Wirklich billig sind im Aupark nur Lebensmittel wie Milch und Käse: Da kann man mitunter bis zu 50 Prozent sparen. Das ein Kilogramm schwere QualitätsHuhn etwa kostet mit 65 Slowakischen Kronen rund einen Euro 50.
Eine kurze Umfrage unter den wenigen Österreichern, die sich hier herumtreiben, ergibt: Die meisten sind zum bloßen Zeitvertreib da, aber doch auch, weil "manches erheblich billiger ist". Jedenfalls sei die Bedienung hier "netter als auf der Mariahilferstraße", meint ein deutscher Kunde, der "oft herkommt".
"Pfuscher" aus Wien
Sonntägliche Heimwerker können auf insgesamt drei bauMax-Filialen in Bratislava zurückgreifen: "Österreicher kommen zu uns aber nur in Notfällen", erklärt Filialleiterin Daniela Hudakova. Sie vermutet, dass vor allem "Pfuscher" aus Wien anreisen, denen just am Sonntag der Lack ausgegangen ist. Auf "Schnäppchen-Jagd" geht man auch hier umsonst.
Wer den wirklichen Trubel sucht, der fahre Richtung Flughafen Letisko: Dort empfängt ihn das "avion-shopping-center" an der Ivanska cesta selbstverständlich auch an Sonn- und Feiertagen mit offenen Armen. Das riesige Parkplatz-Gelände ist mit Autos voll gestopft, die Leute strömen zu Scharen in die Modesalons und in die Restaurants des Einkaufszentrums.
Potentielle "Langfinger" seien allerdings vorgewarnt: Vor jedem noch so kleinen Geschäft versieht ein Security-Mann seinen Dienst und blickt gestreng in die Runde.
Vis-a-vis hat ein IKEA ebenfalls Sonntags bis 20 Uhr offen. Das Gelände wird durch eine McDonalds-Filiale bereichert, wo sich die hungrigen Massen stauen.
Schlaflos in Bratislava
Neben Metro-Märkten und Hypernova-Verkaufshallen gibt es in Bratislava vier Filialen des britischen Tesco-Konzerns, der sich der Maxime "Shopping zu wirklich jeder Zeit" verschrieben hat: Drei der vier Filialen haben jeden Tag rund um die Uhr geöffnet. Die Räumlichkeiten sind so weitläufig, dass die Regalbetreuer mit Rollschuhen unterwegs sind. Von Lebensmitteln über Elektro-Gerät bis zu Wäsche und Büchern gibt es hier alles, was das Konsumenten- Herz begehrt.
Und es wird gekauft: "Der Sonntag ist bei uns ein stärkerer Einkaufstag wie etwa der Montag oder Dienstag", weiß Natalia Horvathova von der Geschäftsleitung. Österreichische Kunden hätten auf den Umsatz nur "geringen Einfluss", sagt sie. Während der Nacht kämen überhaupt nur sehr wenige Kunden, so dass sich das betriebswirtschaftlich gar nicht rechne: "Das ist eine reine Marketing-Maßnahme." Für die Arbeit im Neonschein hätte man eigenes Personal: "Das sind vor allem Mütter, deren Kinder in der Nacht ohnehin schlafen", so Horvathova. "Die übernehmen dann ausschließlich die Nachtschichten bei uns."
Ein Arrangement, das den Gewerkschaftern die Zornesröte ins Gesicht treibt. Und obwohl man bei Tesco vieles billiger als bei uns bekommt: Der Preis, den hier manche für zeit- und grenzenlosen Einkaufsspaß bezahlen müssen, ist ein hoher.