Bayerns Christsoziale polarisieren vor Kommunal- und Europawahl.
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Berlin/Bukarest/Sofia. Weihnachtlich präsentiert sich der Webauftritt der CSU dieser Tage. Anfang Jänner regiert auf den Social-Media-Kanälen der bayerischen Christsozialen noch immer Besinnlichkeit. Parteichef Horst Seehofer streut noch ein bisschen symbolische Glasur auf die CSU-Kekse: "Es ist ein Glück, in Bayern zu leben", vermeldet er in seiner Neujahrsansprache. Ganz andere Töne schlägt die Partei derzeit gegenüber Bulgaren und Rumänen an: "Wer betrügt, der fliegt", so die Losung. Denn seit 1. Jänner haben auch Bürger der beiden Länder vollen Zugang zum EU-Arbeitsmarkt.
Nun geistert ein Gespenst durch Deutschlands Polit-Landschaft, macht der Begriff der "Armutszuwanderung" die Runde. Die CSU bangt, Rumänen und Bulgaren könnten in Massen nach Deutschland einwandern und die Sozialsysteme missbrauchen. Die Christsozialen fordern daher, entsprechende Leistungen in den ersten drei Monaten des Aufenthaltes auszusetzen. Weiters solle ausgewiesenen Betrügern unmöglich gemacht werden, wieder nach Deutschland einzureisen.
Zwischen sanfter Zurückweisung und dezidierter Ablehnung schwanken die Reaktionen der anderen Parteien. Am Donnerstag ging Außenminister Frank-Walter Steinmeier in die Offensive: Wer die EU-Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stelle, "schadet Europa und schadet Deutschland", richtete der SPD-Ressortchef seinem Koalitionspartner via "Süddeutsche Zeitung" aus. Noch weiter geht Steinmeiers Staatsminister Michael Roth. Er attestiert der CSU, sie hätte nichts von Europa verstanden. "Und offenkundig will sie es auch nicht." Die Bayern wiederum fühlen sich zu Unrecht ins Eck gestellt: "Wenn die CSU was sagt, ist das plötzlich Rechtspopulismus", moniert Seehofer.
Tatsächlich leben bereits mehr als drei Millionen Bulgaren und Rumänen in anderen EU-Staaten. Letztere zog es einst bevorzugt nach Italien und Spanien. Aufgrund der dortigen Krise finden aber nur mehr Hochqualifizierte Jobs, die anderen ziehen weiter oder in die alte Heimat. Deutschland ist ein attraktives Ziel, jährlich werden dort neue Beschäftigungsrekorde gefeiert; 2013 waren es 41,8 Millionen Erwerbstätige. Doch während Rumänien und Bulgarien darunter leiden, dass sich ihre Ärzte, Ingenieure und Manager irgendwo zwischen Bad Reichenhall und Flensburg ansiedeln, herrscht in Deutschland oft diffuse Angst vor Kriminal- und Sozialtourismus aus dem Osten und Furcht vor Heerscharen bettelnder Roma.
Gegen die eigenen Gesetze
Die CSU kokettiert - anders als rechtspopulistische Parteien in Europa - nicht offen mit diesen Bildern. Aber Seehofer bedient die weitverbreitete Vorstellung, Migranten würden sich etwas nehmen, das ihnen nicht zustünde. "Deutsche Urteile, die EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht Ansprüche auf Hartz IV (Sozialleistungen, Anm.) einräumen, basieren allein auf deutschem Recht", mahnt daher EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Im Klartext: Wenn Euch Eure Gesetze nicht passen, ändert sie.
Dass die Arbeitslosenquote bei Rumänen und Bulgaren geringer ist als der Durchschnitt der in Deutschland lebenden Ausländer, ficht die CSU nicht an. Sie will die anderen Parteien vor sich hertreiben - wie bereits bei der Pkw-Mautdebatte vorexerziert - und als Regionalpartei bundesweit gehört werden. Zudem finden Mitte März Kommunalwahlen im Freistaat statt, im Mai folgt die Wahl zum EU-Parlament.
Mit markigen Sprüchen gen Osten versucht die CSU der europaskeptischen Allianz für Deutschland (AfD) das Wasser abzugraben - getreu dem Motto von Franz-Josef Strauß, wonach im demokratischen Spektrum rechts von der CSU kein Platz bleiben dürfe. Denn Potenzial ist vorhanden: Die AfD scheiterte im September nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Bundestag. Seehofer gibt nun die deutsche Version von Großbritanniens Premier David Cameron. Der trommelt - die UK Independence Party im Nacken - seit Monaten für eingeschränkte Personenfreizügigkeit in der EU.