Zum Hauptinhalt springen

Schrei nach Aufstand

Von Martyna Czarnowska

Kommentare

Nach Angriffen des türkischen Militärs ruft die kurdische PKK die Bevölkerung zu gewaltsamen Protesten auf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ihr älterer Sohn hat vor sieben Jahren sein Bein verloren, als er auf eine Mine stieg. Nun musste Zahide Encü den Jüngeren begraben. Der zwölfjährige Aslan ist eines der drei Dutzend Opfer eines Angriffs der türkischen Luftwaffe auf vermeintliche Rebellen der verbotenen PKK (Arbeiterpartei Kurdistans).

Doch war es keine Gruppe bewaffneter Männer, sondern es waren Jugendliche, die auf ihren Maultieren Behälter mit Diesel aus dem Norden des Irak schmuggelten. Und der Staat bombardierte sie, klagte Zahide Encü der Nachrichtenagentur Firat, die Sympathien für die PKK hegt. "Wir müssen schmuggeln, weil wir sonst keine andere Möglichkeit haben", sagt sie.

Der Südosten und Osten der Türkei, an den Grenzen zu Syrien und dem Irak, ist ein Gebiet, das lange Zeit wirtschaftlich und sozial vernachlässigt wurde, tief gezeichnet vom Kampf der türkischen Armee gegen die PKK. Menschen wurden aus ihren Dörfern vertrieben, mussten in Städte ziehen, wo sie erst recht keine Arbeit fanden. Und Kinder wie der zwölfjährige Aslan müssen als Schmuggler oder Straßenverkäufer ihren Beitrag zum Erhalt der Familie leisten.

Andere wiederum gehen in die Berge, wie es in der Türkei bezeichnet wird, wenn sich jemand der international als Terrororganisation eingestuften PKK anschließt. Ein Teil von ihr kämpft für ein unabhängiges Kurdistan, das die großteils von Kurden bewohnten Gebiete im Osten der Türkei, aber auch den Nordirak umfassen würde. Diese Menschen, "das Volk von Kurdistan", rief nun ein PKK-Kommandant dazu auf, auf "das Massaker" an den Zivilisten zu reagieren. Ein Aufstand wäre das Mittel, befand Bahoz Erdal. Mit diesem Begriff umschreibt die PKK sowohl Aktionen zivilen Ungehorsams als auch gewaltsame Proteste und Angriffe auf türkische Sicherheitskräfte.

Ein unabhängiges Kurdistan ist aber nicht unbedingt das Ziel vieler Kurden. Der Irak wird einen Zerfall seines Territoriums nicht so einfach akzeptieren, und dass die dortigen Kurden mit denen aus dem verarmten Osten der Türkei die Gewinne aus ihren Erdölvorkommen teilen wollen, ist eher fraglich. In der stark zentralisierten Türkei wiederum würden sich viele Kurden mit einer größeren Autonomie für ihre Gebiete zufrieden geben, und vor allem pochen sie auf die Anerkennung ihrer Minderheitenrechte. Das wird schon jetzt in teils gewaltsamen Protesten manifestiert.

In der Zwischenzeit spekulieren türkische Medien darüber, wie der Armee solch ein Fehler unterlaufen konnte. So ist die Rede davon, dass die Geheimdienste falsche Informationen geliefert haben könnten - vielleicht sogar durch Doppelagenten mit Kontakten zur PKK, die das Militär diskreditieren wollten.

Menschenrechtsorganisationen wie IHD verlangen jedenfalls eine unabhängige Prüfung der Ereignisse, abseits von der Untersuchung, die die Regierung eingeleitet hat. Türkische und internationale nichtstaatliche Organisationen sollten sich dessen annehmen, auch der UN-Menschenrechtsausschuss sollte eingeschaltet werden. Die Tötung von drei Dutzend Menschen erinnere nämlich an einen Massenmord.