Das Schreibfieber ist ausgebrochen. Mind Writing nennt sich die neue Kreativitätsmethode aus den USA, die in der Unternehmenswelt Aufsehen erregt. Die moderne Art des Tagebuchschreibens unterstützt Manager bei der Gesprächsvorbereitung, Strategieentwicklung und Ideenfindung.
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Die Situation mag auf den ersten Blick grotesk erscheinen: Vor wichtigen Meetings oder Präsentationen packen in letzter Zeit immer häufiger Top-Manager Papier und Feder aus und lassen ihren Schreibanfällen freien Lauf. Die einen führen fiktive Dialoge mit Persönlichkeiten, die anderen schreiben einfach wild drauf los.
Mind Writing oder Free Writing nennt sich die Methode und wird in speziellen Textcoaching-Seminaren erlernt. Textcoach und Schreibtrainerin Judith Huber beschreibt die moderne Art des Tagebuchschreibens als "freies Schreiben nur für einen selbst, um sich zu erden und die Gedanken in Fluss zu bringen."
Schreiben gegen Burn Out
In den Mind Writing-Seminaren werden die Teilnehmer motiviert, ihre Gedanken spontan auf Papier zu bringen ohne auf Rechtschreib- oder Grammatikregeln zu achten. Die Techniken ermöglichen, sich von Schreib- und Kreativitätsblockaden zu lösen, innovative Strategien zu entwickeln und dienen als "Burn-Out-Prophylaxe". "Wenn ich einfach drauf los schreibe - ohne über perfekte Formulierungen nachzudenken oder darüber, wie ich den Text strukturiere - versetzt mich das in einen ganz konzentrierten und entspannten Zustand, und mir kommen die besten Ideen", erzählt Robert Wolfsberger, Controller bei Fairtrade Österreich und Seminarabsolvent, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Virginia Woolf um Rat fragen
Die Schreibübungen in den Mind Writing-Workshops dauern nicht länger als zehn Minuten. Beim Dialogschreiben beispielsweise lassen sich die Seminarteilnehmer von einem selbst gewählten Guru, Künstler oder Verwandten Tipps geben. Das kann Albert Einstein, Virginia Woolf, die verstorbene Oma oder Mickey Mouse sein. Wie bei einem Theaterstück verfassen die Manager dann Dialoge zwischen der eigenen Person und der selbst gewählten Figur.
Wolfsberger hat den renommierten Wirtschaftstheoretiker John Maynard Keynes zum Gesprächspartner gewählt. Auch noch heute, ein Jahr nach dem Seminar, bereitet sich der Finanzexperte regelmäßig mit dieser Mind Writing-Technik auf wichtige Business-Gespräche und Meetings vor. "Ich schreibe die Fragen einfach auf, richte sie an den Ökonomen und beantworte sie. Daraus entwickeln sich oft neue Perspektiven. Berufliche Entscheidungen fallen mir dadurch leichter", so der begeistere Mind Writer. Das freie Schreiben bringt Ordnung ins Gedankenchaos. Aufschreiben ist wichtig. Die Ideen liegen nicht nur im Kopf, sondern gleich schwarz auf weiß vor, so gehen sie nicht verloren. Vorteil der Methode ist, dass sie überall und jederzeit durchgeführt werden kann.
Kunden sprechen lassen
Papiergespräch nennt sich eine andere Mind Writing-Technik, die Huber in ihren Seminaren lehrt. Dabei verfassen die Seminarteilnehmer Dialoge mit potentiellen Kunden. "Ziel ist, sich in die Kunden und deren Wünsche hineinzuversetzen und die Sicht der Kunden zu verstehen, wodurch sie effektiver angesprochen werden können", erklärt die Schreibexpertin.
"Die meisten Menschen haben mehr eigene Ressourcen als ihnen bewusst ist, und die werden durch freies Schreiben geweckt." In den USA weiß man das schon lange. Bereits an Schulen und Unis wird Free Writing praktiziert. Dass die Mind Writer nun auch hierzulande im Kommen sind, zeigt das große Interesse an den Schreibseminaren von Judith Huber.
Das nächste Mind Writing-Seminar mit Judith Huber findet von 19. bis 21. 8. im Waldviertel an der Sommerakademie Motten satt. http://www.ideen-ei.com/sommerakademie bzw. www.writersstudio.at