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Schritt aus der Todesangst

Von Alexandra Grass

Wissen

Bei bestimmten Genmutationen ist das Brustkrebsrisiko um ein Vielfaches erhöht.


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Wien. Es sind Frauen, die häufig als Halbwaisen aufgewachsen sind, weil ihre Mütter früh an Brustkrebs verstorben sind. Oft ist die Zahl der weiblichen Verwandtschaft aufgrund einer solchen Erkrankung dezimiert. "Sie haben Leid, Verletzungen und große Verluste erfahren", erläutert die Brustkrebsspezialistin Teresa Wagner, Leiterin der gynäkologischen Abteilung im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Eine solche Familiengeschichte gepaart mit einem ererbten hohen Krebsrisiko führt immer wieder dazu, dass sich Frauen entschließen, prophylaktisch ihre Brüste entfernen zu lassen - auch in Österreich.

Ein prominentes Beispiel dafür ist die US-Schauspielerin Angelina Jolie (37). Wie sie am Dienstag in der "New York Times" bekanntgab, hat sie sich aufgrund einer Mutation des Brustkrebsgens BRCA1 einer beidseitigen Mastektomie unterzogen. Jolies Mutter Marcheline Bertrand war 2007 im Alter von 56 Jahren an Eierstockkrebs verstorben.

Veränderungen in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 bringen eine hohe Gefährdung mit sich. Frauen mit solchen Mutationen haben laut internationalen Studien ein bis zu 87 Prozent höheres Risiko, an Krebs zu erkranken - im Vergleich zu acht Prozent beim Rest der weiblichen Bevölkerung. Bei Eierstockkrebs sind es bei den Mutationsträgerinnen bis zu 44 Prozent im Vergleich zu weniger als ein Prozent.

BRCA1 und BRCA2 gehören zur Gruppe der sogenannten tumorunterdrückenden Gene, deren Aufgabe es ist, die Zelle vor ungebremster Vermehrung zu schützen. Wenn beide Gene in der Zelle verändert sind, kann Krebs entstehen. Etwa zwei Drittel der familiären Mammakarzinome werden dadurch ausgelöst.

Da Brustkrebs für gewöhnlich im früheren Lebensalter auftritt als Eierstockkrebs, unterziehen sich Betroffene meist zuerst einer Mastektomie. Dabei wird das Brustgewebe entfernt und durch Eigengewebe - aus dem Unterbauch oder Rücken -, oder durch Implantate ersetzt, erklärt Wagner. Die Brust selbst ist damit wieder rekonstruiert, so wie wohl auch bei Hollywood-Star Jolie.

Flächendeckende Betreuung

Entschließt sich eine Frau zur Entfernung der Brüste und Eierstöcke, reduziert sich das Erkrankungsrisiko sehr. Beim Mammakarzinom um 95, beim Eierstockkrebs um 80 Prozent. Die meisten Betroffenen nehmen jedoch von einer Mastektomie Abstand und setzen auf Früherkennungsmaßnahmen. Hierbei wird in Folge abwechselnd alle sechs Monate entweder eine Magnetresonanztomographie, eine Mammographie oder eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Die Betreuung für potenziell Betroffene ist in Österreich übrigens flächendeckend und kostenlos.

Wenn bei zwei weiblichen Familienmitgliedern unter 50 Brust- oder Eierstockkrebs aufgetreten ist, sollte man sich Gedanken machen, so Wagner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ist die Familienanamnese auffällig, wird eine Blutabnahme mit Test auf BRCA1- und BRCA2-Mutationen und Mutationsträgerinnen letztendlich eine umfassende Information angeboten. In Österreich ist eine von 500 Frauen Trägerin einer solchen Erbgutveränderung.

Die Medizinerin wirbt um Verständnis für Frauen, die sich operieren lassen. "Es geht um das fundamentale Bedürfnis, nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu erkranken. Und es geht darum, dass sie leben und ihre Kinder groß werden sehen wollen. Der Preis ist hoch und für die Frauen selbst furchtbar."

Dabei gehe es nicht um Befindlichkeitsstörungen als Reaktion auf solche Entscheidungen. Auch wenn die Heilungschancen bei Brustkrebs mittlerweile hoch sind, gehe es andererseits um ein "Recht auf Gesundheit", betont Wagner. Auch wenn man die Therapien überlebt, bleibt immer noch die Todesangst. Etwa 5000 Frauen erkranken österreichweit jährlich, 1600 sterben. Wagners Aufgabe ist es, "zu unterstützen, dass die Frau den Schritt gehen kann, den sie selbst für richtig hält".

Auch ein Leitfaden der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie weist darauf hin, dass die Entscheidung individuell getroffen werden müsse und keine generelle Empfehlung für eine prophylaktische Operation ausgesprochen werden "kann und darf". Dafür seien unter anderem die Lebensplanung, etwa Kinderwunsch, und die individuellen Unterschiede in der Risikowahrnehmung zu berücksichtigen.