ÖVP und FPÖ planen eine Stärkung der direkten Demokratie.
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Wien. Einen großen Wurf planen ÖVP und FPÖ beim Ausbau der direkten Demokratie. Am Ende könnte sogar eine Gesamtänderung der Bundesverfassung stehen, die nicht nur einen Gesetzesbeschluss mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat verlangt, sondern auch noch eine verpflichtende Volksabstimmung über dieses Gesetz.
Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, das wissen auch Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache, ab Montag Bundeskanzler und Vizekanzler. Deswegen planen die beiden künftigen Regierungsparteien einen schrittweisen Ausbau der Mitbestimmung.
Das Instrument des Volksbegehrens
Zunächst soll das Instrument des Volksbegehrens weiterentwickelt werden. Künftig sollen, so heißt es im Regierungsübereinkommen, 100.000 Wahlberechtigte eine echte Gesetzesinitiative starten können. Ein Gesetzesvorschlag, das so zustande kommt, soll Regierungsvorlagen und Initiativanträgen, den beiden bisherigen Möglichkeiten, ein Gesetz eizubringen, gleichgestellt werden. Zudem sollen Volksbegehren mit mehr als 100.000 Unterstützern in den zuständigen Ausschüssen und auch im Plenum behandelt werden, die Initiatoren erhalten ein Rederecht im Nationalrat, und der jeweilige Minister muss dazu Stellung nehmen.
Diese Maßnahmen wollen ÖVP und FPÖ möglichst schnell umsetzen, nach drei Jahren sollen die Neuerungen evaluiert werden.
Anschließend, laut Regierungsprogramm 2022, will die Regierung noch einen wesentlichen Schritt weiter gehen. Dieser sieht vor, dass ein Volksbegehren in Form eines Gesetzesantrags von mehr als 900.000 Wahlberechtigten unterstützt und nicht binnen eines Jahres vom Nationalrat umgesetzt, wird das Volksbegehren in Form einer Volksabstimmung den Bürgern zur Entscheidung vorgelegt.
Damit wäre ein Gesetzesbeschluss unter Umgehung des Parlaments möglich, was einer Gesamtänderung der Verfassung bedeuten würde. Die Verfassungsväter haben die Zweite Republik als parlamentarisch-präsidiale Demokratie konzipiert, ein Gesetzgebungsverfahren am Parlament widerspricht dem.
ÖVP und FPÖ haben allerdings gleich mehrere Sicherheitsschranken eingebaut. Zum einen soll der Verfassungsgerichtshof eine Vorabkontrolle vornehmen und so verhindern, dass über Grundrechte abgestimmt werden. Ausschließen wollen Schwarz-Blau auch Referenden über die EU-Mitgliedschaft, EU-Recht sowie Österreichs Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Gleichzeitig soll der Nationalrat einen Gegenvorschlag zur Abstimmung bringen können. Sollte sich dieses Instrument bewähren, können sich ÖVP und FPÖ vorstellen, die Hürde von 900.000 Unterstützern auch abzusenken.
Dazu müssen die beiden Regierungsparteien zuerst allerdings noch Überzeugungsarbeit leisten. Sie brauchen die Unterstützung von Neos oder SPÖ, um überhaupt eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen.