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Berlin/Brüssel - Die Diskussion um die Zukunft der gemeinsamen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik geht weiter. Den Defiziten, die gerade der Irak-Krieg aufgedeckt hat, will eine französisch-deutsch-belgische Initiative entgegentreten. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in diesem Zusammenhang am Mittwoch eine mögliche Erhöhung des Verteidigungsetats angedeutet.
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Die Irak-Frage habe gezeigt, dass eine stärkere europäische Verteidigungspolitik nötig sei: "Insofern stimmt, dass wir uns über die Ausrüstung der Bundeswehr und über ihre Finanzierung unterhalten müssen", sagte der Kanzler in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit". "Wer für sich in Anspruch nimmt, bei aller Befriedigung von Bündnispflichten im Ernstfall auch zu differenzieren oder Nein zu sagen wie im Falle Irak, der muss sich in die Lage versetzen, auch etwas aus eigener Kraft zu leisten." SPD-Verteidigungsminister Peter Struck hatte bereits gesagt, ein Einsatz deutscher Soldaten zum Schutz des Wiederaufbaus im Irak sei nur denkbar, wenn die Bundeswehr mehr Geld erhalte.
Schröder selbst will sich bisher zu einem möglichen Nachkriegseinsatz der Bundeswehr im Irak nicht festlegen. Dies geht aus seinen Aussagen nach der Kabinettssitzung am Mittwoch hervor. Lediglich eine Soforthilfe für humanitäre Hilfsaktionen in der Höhe von 50 Mill Euro sagte er zu. In jedem Fall müsse die Nachkriegsordnung im Irak "eine Ordnung der Vereinten Nationen" sein, bekräftigte Schröder erneut.
Zwei Geschwindigkeiten?
In letzter Zeit hat sich Schröder immer wieder für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ausgesprochen. Im Hintergrund steht der von Belgien initiierte Plan, gemeinsam mit Deutschland und Frankreich einen "Kern" für eine gemeinsame Verteidigungspolitik zu schaffen. Kommissionspräsident Romano Prodi unterstützt eine derartige Initivative. Von Beobachtern wird dies als ein neuer Vorstoß für ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten" gewertet, wonach einige Mitglieder quasi eine Vorreiterrolle innerhalb der EU spielen sollen.
Ein solches Gegenstück zur amerikanisch-britischen "Koalition der Willigen" stößt naturgemäß auf einige Vorbehalte. So hat sich Italien zum Vorstoß, am 29. April einen Gipfel zur künftigen Verteidigungspolitik abzuhalten, zurückhaltend geäußert. Außenminister Franco Frattini sagte während eines Besuches beim Europaparlament, alle Beiträge zur Weiterentwicklung der EU-Verteidigungspolitik seien grundsätzlich "willkommen", der "angemessene Rahmen" dafür sei aber der Kreis der Fünfzehn.
Vor Journalisten verwies der konservative italienische Politiker auch darauf, dass der EU-Reformkonvent die Frage prüfen sollte, ob die "verstärkte Zusammenarbeit" einiger Kernstaaten in bestimmten Bereichen auch auf die Verteidigungspolitik ausgedehnt werden sollte. Der EU-Vertrag von Nizza schließt dies ausdrücklich aus.