Als sie vor 70 Jahren den Thron bestieg, war Elizabeth II. noch Königin eines eindrucksvollen Staatenverbands.
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Grüße ganz besonderer Art sind diese Woche von Canberra nach London übermittelt worden. Ausgerechnet zum Beginn der viertägigen Feiern zum "Platinum-Jubiläum" Elizabeths II. hat Australien klargemacht, dass es jetzt ernsthaft an die Lösung von der britischen Krone denkt. Bisher ist Ihre Majestät ja auch Königin der Australier. Ein Versuch, mit der Monarchie Schluss zu machen, war im Jahr 1999 in einer Volksabstimmung knapp gescheitert. Mit dem Wahlsieg der australischen Labor Party vor wenigen Tagen ist das Thema aber nun plötzlich wieder auf die Tagesordnung gerückt.
Denn der neue Regierungschef Anthony Albanese hat just den Posten eines "Staatssekretärs für die Republik" geschaffen. Albanese hatte ja schon früher einmal erklärt, dass das Ende der Monarchie für sein Land "unausweichlich" sei. Mit der erstmaligen Schaffung eines entsprechenden Regierungsamtes sei man nun endlich "auf dem rechten Weg", jubelten gestern Australiens Republikaner.
Gelockerte Bande
Bei Hofe in London suchte man sich jedes Kommentars zu enthalten. Aber königstreue Britinnen und Briten fanden, ausgerechnet zum Auftakt der Festivitäten in London wäre das "ja nun wirklich nicht nötig gewesen". Dabei wissen natürlich auch wackere Royalisten im Vereinigten Königreich (und die Windsors selbst), dass rund um die Welt die Bande ehemaliger Kolonien zur Krone sich immer mehr gelockert haben und weiter lockern.
Gerade im karibischen Raum ist die reinste Absetzbewegung im Gang. Im vorigen November wohnte Prinz Charles dem letztmaligen Einholen des königlichen Banners in Barbados bei, mit wohlerzogen-guter Miene zu diesem (für ihn) unerfreulichen Spektakel. Zuvor hatten sich schon Dominica und Trinidad und Tobago - und in Südamerika Guyana - zu Republiken erklärt. Und im März dieses Jahres wurde Prinz William bei einem Besuch Jamaikas von der dortigen Regierung auf unmissverständliche Weise belehrt, dass man dort genau dasselbe plane.
Den Royals aber ist bewusst, dass mit dem "Fall" Jamaikas eine ganze Reihe anderer Kron-Dominos in der Karibik purzeln würde - auch wenn das keinen Austritt dieser Staaten aus dem Commonwealth of Nations bedeuten muss. Sechs karibische Nationen, von den Bahamas bis zur kleinen Inselgruppe St Kitts and Nevis, haben jedenfalls zu erkennen gegeben, dass sie kein Staatsoberhaupt mehr wollen, das in einem Schloss im fernen London thront und letztlich nichts zu tun hat mit ihren eigenen Anliegen. Und im pazifischen Raum rumort es außer in Australien auch in Neuseeland, Papua Neuguinea und den Solomon-Inseln. Auch die kanadische Bevölkerung überdenkt ihre Situation.
Radikaler Wandel
Für die britische Monarchie bedeutet das einen radikalen Wandel. Als Prinzessin Elizabeth 1952 Königin wurde, war sie automatisch Königin der meisten Commonwealth-Staaten, und natürlich auch Schirmherrin des gesamten, damals noch "britischen Commonwealth". Aus diesem drei Jahre zuvor gegründeten Nachfolgeverband des britischen Empire lösten sich im Laufe ihres langen Lebens einzelne Staaten, während andere blieben, aber Republiken wurden, also ohne sie auskamen. Heute finden sich, außer dem Vereinigten Königreich selbst und seinen fest angeschlossen Krongebieten (wie zum Beispiel der Isle of Man, Gibraltar oder den Falklandinseln), nur noch 14 eigenständige Nationen "unter der Krone" - weniger als die Hälfte all der Länder, deren Staatsoberhaupt Elizabeth II. einmal war.
Bald, unken ungehaltene Monarchisten, werde es gerade noch eine Handvoll "williger" Nationen, oder vielleicht gar keine mehr, sein. Für die 96-jährige Queen selbst kommt diese Entwicklung kaum überraschend. Sie ist aber doch bitteres Fazit nach einer postkolonialen Ära, mit der sie sich durch und durch identifizierte. Sie hatte ja in den Anfangsjahren immer stolz von "unserer großen imperialen Familie" gesprochen, "der wir alle angehören" und für deren Bestand und Wohlergehen sie sich zu engagieren versprach. Endlose Besuche exotischer Gäste im Buckingham-Palast und in Windsor markierten diese langen Jahre, in denen im "Reich" der Queen die Sonne tatsächlich noch immer nicht unterging. Vollgefüllt sind die Schatztruhen der Royals in England und Schottland mit ebenso erlesenen wie kuriosen Geschenken aus aller Welt aus dieser Zeit.
Elizabeth selbst betrachtete ihre Reisen als Königin in alle Ecken und Enden der Welt als eine ihrer wichtigsten, aber auch liebsten Aufgaben. Ihr unbeschwertes, frohes Lachen ist ihren Landsleuten in Erinnerung geblieben, als sie auf der königlichen Jacht, der "Royal Britannia", über die Weltmeere fuhr. "Drüben" in den Ex-Kolonien wurde sie, auf dem offenen Land Rover mit Prinz Philip, stets beklatscht und bejubelt. Bei ihren Auftritten waren Tänze, Musikdarbietungen und andere untertänige Loyalitätsbekundungen der "Einheimischen" angesagt.
Etwas peinlich musste es Ihre Majestät nur berühren, als ein Journalist namens Boris Johnson, der später einer ihrer Premierminister werden sollte, im Jahr 2002 in der ihm eigenen sorglosen Art vermutete, die Queen liebe an diesen Ausflügen nicht zuletzt, "dass sie sie versorgen mit stets jubelnden Ansammlungen fähnchenschwenkender Negerbabies".
Eine Queen ohne Jacht
Sehr lang scheint das alles nun her zu sein. Nicht nur war die Queen schon Ende der neunziger Jahre von einer auf Einsparungen erpichten Londoner Regierung "ihrer" Jacht beraubt worden - was ihr beim Abschied von diesem Schiff, ein sehr ungewöhnlicher Anblick, Tränen in die Augen trieb. Mittlerweile, da sie mit ihren Kräften haushalten muss, reist sie schon lange nicht mehr ins Ausland, geschweige denn um die Erde, um nach ihrer "großen imperialen Familie" zu sehen.
Inzwischen müssen sich Prinz Charles, Prinz William und andere Familienmitglieder, die das besorgen, von den Besuchten sagen lassen, dass sie gar nicht mehr sonderlich willkommen sind. Die jüngste Reise Williams und seiner Frau Kate in die Karibik zum Beispiel war bereits von Protesten und Kritik überschattet. Statt mit bunten Blumenkränzen bedacht zu werden, wie sie es erwartet hatten, fanden sich die Royals mehrfach mit Forderungen nach Wiedergutmachungs-Zahlungen für die Verbrechen des Sklavenhandels konfrontiert.
Zugleich handelten sie sich äußerst negative Schlagzeilen ein, als sie, recht naiv, frühere Aufzüge der Queen zu kopieren suchten, im offenen Land Rover, hoch über den Köpfen der Menschen links und rechts ihres Wegs. Noch immer ungebrochen schien auch der Unmut über die jüngste skandalöse Behandlung karibischer Familien durch Großbritannien. Dies waren die Familien, die in der Nachkriegszeit zur Übersiedlung und zur Arbeit nach England eingeladen worden waren, Jahrzehnte später aber auf Geheiß der Regierung David Camerons gefälligst wieder in "ihre Heimat" verschwinden sollten.
Und nicht unbemerkt geblieben ist, dass Meghan Markle, als sie zusammen mit Prinz Harry nach Amerika "flüchtete", der ungeliebten Verwandtschaft in einem Seitenhieb rassistische Tendenzen vorwarf. Vorwurfsvoll murren heute viele Jamaikaner, dass sie eine britische Königin hätten, aber ins Vereinigte Königreich nicht ohne Visum, ohne spezielle Aufenthaltsgenehmigung reisen könnten.
"Zeugen einer neuen Zeit"
Wenig Zweifel besteht inzwischen daran, dass das alte "Reich", mit dem Elizabeth aufwuchs und das einmal ein Fünftel des Festlands der Erde und ein Drittel der Menschheit umspannte, sich als Kron-Verband nicht länger wird halten lassen. Schon bestehe, stellte die königstreue Londoner "Times" jüngst bekümmert fest, höchstens noch in Kanada echtes Interesse am Platinum-Jubiläum der Queen, mit Paraden, Parties, Tea-Time-Zusammenkünften. In so gut wie keinem anderen Land würden noch offizielle Feiern zu Ehren der Monarchin veranstaltet, klagte das Blatt: "Wir sind Zeugen des Beginns einer neuen Zeit."