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Schubladisierte Menschenrechte in Kolumbien

Von Konstanze Walther

Politik

Die EU hat mit Kolumbien ein Freihandelsabkommen geschlossen, obwohl die versprochenen Verbesserungen für Arbeitnehmer nicht umgesetzt worden sind. Damit geht jede Hebelwirkung verloren. Österreich ist eines von drei EU-Ländern, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hat.


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Bogotá/Wien. Was hat die Europäische Union, was hat Österreich mit den Lebensbedingungen von Arbeitnehmern in Kolumbien zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel. Aber auf den zweiten so einiges. Internationale Verträge über Wirtschaftsbeziehungen sind normalerweise ein Hebel, damit die stärkere Verhandlungspartei auch soziale Veränderungen im Partnerland anschieben kann. Paradebeispiel: Kein Deutschland-Besuch in China, ohne dass auf die dortige Situation der Menschenrechte hingewiesen wird.

Ein Freihandelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Ländern Kolumbien, Peru und seit kurzem auch Ecuador ist schon länger auf dem Tisch. Vor mehr als zehn Jahren begannen die diesbezüglichen Verhandlungen. Dann legte man den Vertrag in Brüssel vorerst auf Eis. "Grund dafür waren vor allem die in Kolumbien begangenen Menschenrechtsverletzungen", erzählt Daniel Hawkins, Forschungsdirektor der kolumbianischen Gewerkschaftsschule ENS. Um den Verhandlungen auf die Sprünge zu verhelfen, hatte 2012 das Europäische Parlament eine Resolution mit Zusatzerklärung verabschiedet: eine Bedienungsanleitung, welche Menschenrechtsthemen in Kolumbien anstehen und wie man die Situation verbessern könnte. Dabei wurde etwa die Gewalt gegen Gewerkschaftsvertreter angeprangert sowie die systematische Verhinderung der Organisierung der Arbeitnehmer.

Doch es blieb bei Empfehlungen, die in der Schublade verschwunden sind. Denn EU-Kommission und Parlament gaben dem Freihandelsabkommen 2012 grünes Licht. 2013 ist es partiell ratifiziert worden und damit de facto seit viereinhalb Jahren in Kraft. Aber es wäre nicht die EU, wenn nicht jedes einzelne der 28 Mitglieder seine Zustimmung erteilen müsste. Momentan gibt es nur noch drei EU-Länder, die den Vertrag nicht ratifiziert haben.

Dazu gehört neben Griechenland und Belgien auch Österreich. Deswegen war Hawkins auf Einladung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds ÖGB in Wien.

Hawkins will die andere Seite erzählen, auch wenn er fürchtet, dass die neue österreichische Regierung mit ihrem betont wirtschaftsfreundlichen Profil die Ratifizierung des Freihandelsabkommens endgültig vorantreiben wird.

Mit der vollständigen Ratifizierung geht allerdings jedes Druckmittel verloren.

Von den vorgeschlagenen Verbesserungen des EU-Parlaments redet unterdessen niemand mehr. Noch dazu sei Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos nun Liebkind der internationalen Gemeinschaft, weil er den Bürgerkrieg mit der Guerillaorganisation Farc beendet habe und sogar den Friedensnobelpreis dafür verliehen bekommen hat.

Trotzdem habe sich die Situation der der Arbeitnehmer in Kolumbien nicht verbessert. Noch immer würden in keinem anderen Land der Welt so viele Gewerkschafter ermordet und mit dem Tode bedroht werden wie in Kolumbien, sagte Hawkins. Es gäbe zwar Erfolge: Die Zahl der Morde gehe langsam zurück. Aber gleichzeitig steige die Zahl der Todesdrohungen an Gewerkschafter. "In den letzten sechs Jahren wurden 147 Gewerkschafter ermordet, 1694 wurden mit dem Tode bedroht", berichtet Hawkins.

In Kolumbien werden Kollektivverträge etwa mit sogenannten PACs umgangen. Die wurden von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO als dezidierte Umgehung von Gewerkschaftsarbeit gewertet: Dabei verhandeln Arbeitgeber und gewerkschaftsfremde Arbeitnehmer Verträge aus, die zusätzlich zu den Kollektivverträgen noch Boni für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder beinhalten.

Die kolumbianische Regierung hatte damals bei der Unterzeichnung zugesagt, diese Art von Mechanismen zu reduzieren. Laut Daten des kolumbianischen Arbeitsministeriums hat sich die Zahl von solchen PACs von 170 im Jahr 2011 aber auf 261 im Vorjahr fast verdoppelt.