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Schüchterne Skeptiker und ein "No Thanks"

Von Melanie Sully

Gastkommentare
Dr. Melanie Sully ist Politologin und leitet das in Wien ansässige Institut für Go-Governance.

Die "Grexit"-Debatte bestärkt auch die "Brexit"-Befürworter in ihrer EU-kritischen Haltung.


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Das aktuelle Chaos rund um den "Grexit" bestätigt die schlimmsten Befürchtungen vieler in Großbritannien, nämlich, dass das gesamte europäische Projekt letztendlich zum Scheitern verurteilt ist. Das Land trat in den 1970er Jahren in einer Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs und innenpolitischen Chaos der EU bei. In den Köpfen vieler war Europa mit dem Verlust der Erhabenheit verbunden.

Einige aus der älteren Generation sehnen sich nach einem verlorenen "goldenen Zeitalter" zurück, das noch immer durch die "British Empire"-Medaillen zum Geburtstag der Queen symbolisiert wird. Jüngere Menschen sind mehr pro Europa und werden durch die gebotene größere Mobilität angezogen.

Als Premier David Cameron vor ein paar Jahren ein Referendum über einen EU-Ausstieg ankündigte, erwähnte er, dass die Unterstützung für die EU nur "hauchdünn" sei. Heute rechnen Umfragen mit einem klaren Ja zum Verbleib. Aber diejenigen, die aus Angst, "reaktionär" zu erscheinen, ihre Wahlabsichten nicht angeben, könnten die Meinungsforscher noch unterwandern. Und sollten die Umfragen einen klaren Sieg für das Lager der Befürworter voraussagen, könnten die Unentschlossenen als eine Art Anti-Establishment-Protest ihr Kreuz beim Nein machen. Es würde schon genügen, dass die EU mit einer Idee wie der Standardisierung von Olivenölkaraffen in Restaurants auftaucht, und die Abstimmung könnte verloren sein.

Aber Referenden sind heutzutage akzeptiert, um eine Übertragung der Macht, wie in Schottland, zu legitimieren. Nach dem Gesetz wäre eine Einführung des Euro Gegenstand einer Volksabstimmung, wie es auch andere größere Machttransfers zur EU wären. Die Verteidigung der nationalen Interessen passe nicht, so wird argumentiert, in das europäische Projekt, die Sorgen der Bevölkerung sollten es aber schon.

Die aktuelle Debatte über EU-Migranten ist verbunden mit einem Wohlfahrtssystem, das im Vergleich zu vielen anderen Ländern attraktiver ist. Ein Scheitern einer Reformierung dieses Problems würde das EU-Referendum zu einer Volksabstimmung über die Einwanderung reduzieren. Es gibt viele widersprüchliche Rechtsauffassungen über die Blockierung von Zahlungen an EU-Migranten, die unbedingt einer Klarstellung bedürfen. Wenn die EU in der Lage wäre, proaktiv und flexibel zu sein, dann wäre ein Rückgriff auf ein Referendum nicht so notwendig.

Die EU muss nun zeigen, dass es ihr mit Reformen ernst ist. Die Anti-EU-Partei Ukip behauptet, dass dies eine "Mission Impossible" und der Ausstieg die einzige Antwort sei. Cameron ein paar Bröseln zuzuwerfen, in der Hoffnung, er könne einen ganzen Laib Brot verkaufen, wird nicht ausreichen, um eine mündige Wählerschaft zu überzeugen. Winston Churchill sagte einst, bei Demokratie gehe es um "einen kleinen Mann, der mit einem kleinen Stift in eine kleine Kabine geht, um ein kleines Kreuz auf einem kleinen Stückchen Papier zu machen". Eine Bemerkung, die er kurz vor seiner vernichtenden Niederlage bei den Wahlen im Jahre 1945 machte. Die schüchternen Skeptiker und die "einfachen Wähler" mit ihren kleinen Stiften könnten am Ende der Schlüssel zur britischen Mitgliedschaft in der EU sein.