Zum Hauptinhalt springen

Schul-Märchen

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Es war einmal vor langer Zeit, da dividierte Finanzminister Ferdinand Lacina die Zahl der Landeslehrer mit jener der Schüler, die sie unterrichteten. Er kam auf den sagenhaften Durchschnitt von weniger als 15 Schüler je Lehrer. Die Klassen aber waren viel größer. Das Mysterium löste sich auf: Viele Lehrer unterrichteten gar nicht, sondern waren in der Schulverwaltung eingesetzt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Unzählige Landes- und Bezirksschulinspektoren tingelten durchs Land. Warum sie das in so großer Zahl taten, blieb ein Mysterium. Landespolitiker und Lehrergewerkschaft gaben ihr Wissen nicht wirklich preis.

Dekaden später führt das glückliche Österreich immer noch diese Diskussion. Eine Kontrolle durch den (bezahlenden) Bund wurde auf später verschoben, die Frage der Lehrerarbeitszeit in eine systemische Struktur-Watte eingelegt, wo sie noch lange weich liegen wird. Dafür wollen die Länder die alleinige Kompetenz für sämtliche Lehrer, der Bund soll künftig nur noch zahlen. Ach ja, er soll noch "bildungspolitische Vorgaben" machen. Dies zeigt, dass den Ländern an der von ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Republik wenig liegt. Neun verschiedene Pflichtschulsysteme in einem Land, das weniger Einwohner hat als Bayern, das kann doch niemand ernsthaft wollen.

Nun wird die ganze Debatte in die kommenden Finanzausgleichsverhandlungen verschoben, was einer gefährlichen Drohung gleichkommt. Denn die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zeichnen sich durch ihre Bazar-Methodik aus, an deren Ende immer die Länder gewinnen. Zudem ist die Verknüpfung finanzpolitischer Ziele mit Bildungspolitik nicht besonders einleuchtend. Bei all dem ist das Parlament verdächtig ruhig. Wenn Kompetenzen in die Länder verschoben werden, verliert der Nationalrat welche. Warum er dies so stoisch hinnimmt, ist unklar - und auch beängstigend.

Und dann wäre da noch die EU. Europa stärker zu integrieren, steht der österreichischen Variante von Kleinstaaterei diametral entgegen. Die Landeshauptleute kämpfen um ihre schwindende Macht, das ist politisch verständlich. Sachpolitisch dagegen ist es Gift - vor allem für die Steuerzahler, die dies aufrechterhalten dürfen und für die der Schluss jedes Märchen gilt: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute . . .