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Kritik aus der Slowakei: Ungarns Jugendliche sollen "Großungarn" entdecken. | Konfliktstoff bei erstem Treffen der Regierungschefs. | Bratislava. Wenn die neue slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicova und ihr ungarischer Amtskollege Viktor Orban am Dienstag kommender Woche in Budapest beim Visegrad-Gipfel der Regierungschefs Polens, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns erstmals zu offiziellen Gesprächen zusammentreffen, scheint eines klar: Slowaken und Ungarn suchen einen Neuanfang in ihren Beziehungen. Zumindest werden Orban und Radicova nicht müde, genau das immer wieder zu betonen.
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Auf den ersten Blick stehen die Chancen dafür nach den Regierungswechseln in beiden Ländern nicht schlecht. Aus slowakischer wie ungarischer Sicht zählen die Jahre 1998 bis 2002 zu den besten im bilateralen Verhältnis nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. In Bratislava regierte damals Radicovas Parteifreund Mikulas Dzurinda, in Budapest Viktor Orban. Daran wollen beide Seiten anknüpfen und damit die Spannungen vor allem der vergangenen vier Jahre vergessen machen.
Allerdings mehren sich in diesen Tagen schon wieder die Anzeichen für Konfliktstoff. Vor den slowakischen Parlamentswahlen sei nicht alles glücklich gelaufen, sagte Radicova vor wenigen Tagen. Damit spielte sie auf das vom ungarischen Parlament verabschiedete Gesetz über eine doppelte Staatsangehörigkeit für Auslandsungarn und die Novelle des slowakischen Staatsbürgerschaftsrechts an, wonach Slowaken ihre Staatsbürgerschaft entzogen wird, wenn sie eine weitere erhalten.
Gesetz suspendieren?
Die Ministerpräsidentin will sich dafür einsetzen, dass die Neuerung im slowakischen Staatsbürgerschaftsrecht aufgehoben wird. Das ungarische Gesetz wiederum soll auf slowakischem Territorium nicht angewandt werden, wobei Radicova es vor den Wahlen noch als "rein ungarische Angelegenheit" bezeichnet hatte. Wie das Gesetz auf slowakischem Territorium suspendiert werden soll, ist unter Rechtsexperten umstritten.
Einige meinen, dass das ungarische Parlament das Gesetz erst dahingehend ergänzen muss, dass es in der Slowakei nicht angewandt wird. Andere verweisen darauf, dass das Parlament in Budapest den Slowaken keine Vorschriften über die Behandlung ihrer eigenen Landsleute auferlegen dürfe, weil das einen Eingriff in die Souveränität der Slowakei bedeute.
Gedenken an Trianon
In der Zwischenzeit beraten die Abgeordneten in Budapest darüber, ob Schulklassen künftig Ausflüge auch in die Gebiete unternehmen sollen, die Ungarn 1920 nach Unterzeichnung des Vertrags von Trianon abtreten musste. Diese Ausflüge sollen vorzugsweise rund um den 4. Juni stattfinden, der vor kurzem zum Trianon-Gedenktag erklärt wurde. Auf diese Weise sollen die Schüler für die Tragweite der "historischen Katastrophe von Trianon" sensibilisiert werden. In Bratislava wird das als Versuch einer "Wiederherstellung von Großungarn in den Köpfen" gewertet.