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Bildungsexpertin Koenne rät zu Themenwechsel: Zuerst klären, was Schule sein soll, erst dann Organisation diskutieren.
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Wien. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat für die Regierungsklausur die Vorlage eines Schulautonomie-Pakets angekündigt. Das Thema wird allerdings erst heute, Samstag, behandelt. Fix soll sein, dass die starre 50-Minuten-Regelung für den Unterricht aufgelöst wird. Ansonsten hielt man sich mit Informationen vorerst noch zurück. Aber es ist anzunehmen, dass die vorschulische Betreuung (eventuell mit zentral vorgegebenen Qualitätsstandards) und der Ausbau der Ganztagsschulen auch Teil des Pakets sind. Die Gesamtschule ist für die ÖVP noch kein Thema und wird daher auch nicht Teil eines Commitments sein.
"Die Auflösung der 50-Minuten-Sturheit bietet die Möglichkeit, Bildungsinhalte ins Zentrum zu rücken und auf die Gestaltung des Unterrichts zu schauen", sagt die frühere AHS-Direktorin, Bildungsexpertin Christa Koenne zur "Wiener Zeitung". Wenn man diesen ersten Schritt setze, komme man auch automatisch zu einem Jahresarbeitszeitmodell für alle Lehrer - wie es derzeit nur die Pflichtschullehrer haben. Denn derzeit werde in der Schule noch eine Gleichmäßigkeit - Wochenplan - vorgetäuscht, die es tatsächlich gar nicht gebe, weil immer wieder Stunden entfallen, weil es Skikurse gebe, weil Lehrer krank würden, weil es Projekte gebe, Wandertage usw.
Schon allein diese Öffnung der Tür mit der Auflösung der starren Unterrichtsstunden mache völlig neue Unterrichtsformen realisierbar, sagt Koenne, und sei daher zu begrüßen.
Tatsächlich wäre für die Regierung ein "Themenwechsel in der Schuldebatte sinnvoll", sagt die Bildungsforscherin. Denn zuerst müsse geklärt werden: "Was ist am Ende der schulpflichtigen Zeit in der heutigen Zeit mit den heutigen Kindern zu erreichen?" Die Schulorganisation sollte erst nach Klärung dieser Frage angegangen werden.
Standardisierung und Individualisierung
Aus der Sicht Koennes müsse es zwei Ziele für die Schule geben: Individualisierung und Standardisierung. Es müssten Mindeststandards festgelegt werden, die in heterogenen Lerngruppen unterrichtet werden. "Das ist wichtig, damit die Kinder voneinander lernen können. Dafür ist auch eine gemeinsame Schule wichtig." Gleichzeitig müssten Kinder aber auch herausfinden, wo ihre besonderen Begabungen und Interessen liegen. Diese Standardisierung und Individualisierung müsse aber getrennt passieren.
Als Beispiel nannte Koenne die Wiener Sängerknaben. Die hätten gemeinsamen Unterricht für die Standardisierung sozusagen. Denn allen sei bewusst, dass nach dem Stimmbruch ein Wechsel an eine andere Schule notwendig sein könnte - für diesen Fall müssten sie eben die Lehrinhalte wie alle anderen Schulen durchnehmen. Das Singen und Musizieren wäre dann mit der Individualisierung zu vergleichen. "Schule braucht beides", sagt Koenne. Aber: "Größere Schritte dorthin wären wünschenswert."