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CDU und SPD werden bei der Wahl in Hessen für die schwarz-roten Streitigkeiten im Bund bestraft.
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Wiesbaden/Wien. Gemeinsam mehr als 20 Prozentpunkte Minus: CDU und SPD werden bei der Landtagswahl in Hessen für die Streitigkeiten der schwarz-roten Koalition im Bund bestraft – wie bereits vor zwei Wochen in Bayern. Die CDU ist in Hessen so schwach wie seit 1966 nicht mehr, die SPD muss dort gar ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik hinnehmen.
"Wir sind gegen das Erscheinungsbild der großen Koalition nicht durchgedrungen", sagte Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier. Ihm und seiner Partei bleiben nur, dass gegen die CDU keine Regierungsbildung möglich ist. Der Ministerpräsident bleibt trotz des Debakels im Amt. Wieder eine Parallele zu Bayern, wo Markus Söder die CSU von einer Alleinregierung nun in eine Koalition führen muss.
Der Merkel-Malus
"Das reicht nicht", richtete Gesundheitsminister Jens Spahn seiner CDU aus. Der Kritiker von Angela Merkel hat keine realistische Chance, der Kanzlerin beim Parteitag im Dezember den CDU-Vorsitz strittig zu machen. Ein ernsthafter Konkurrent ist bisher nicht in Sicht, und Merkel hat sich stets für Kanzlerschaft und Parteivorsitz in einer Hand ausgesprochen. Doch aus dem Merkel-Bonus früherer Jahre wird immer mehr ein Malus: 70 Prozent der Hessen sagten bei der Wahl 2013, die Kanzlerin sei hilfreich für das CDU-Ergebnis. Nun sind es kümmerliche 13 Prozent.
Eng könnte es für CSU-Chef Horst Seehofer werden. Er löste mit seinen Alleingängen zwei Koalitionskrisen binnen weniger Monate aus, ihm wird von Söder-Anhängern die Niederlage in Bayern angelastet. Spahn kritisierte Seehofer am Sonntagabend indirekt, die SPD assistierte. "Der Zustand der Regierung ist inhaltlich und personell nicht akzeptabel", sagte Parteichefin Andrea Nahles. Sie verlangt einen Fahrplan für Veränderungen; dessen Umsetzung bis zur Halbzeit der Regierung im Sommer 2019 solle Gradmesser sein, ob die SPD in der Koalition noch richtig aufgehoben sei. Nahles bleib wenig über als auf Zeit zu setzen, bei Neuwahlen würde die SPD um 15 Prozent landen.
Hauptprofiteur sind die Grünen. Sie gewinnen sowohl im linken als auch im bürgerlichen Lager Wählerstimmen – nicht die Linkspartei profitiert von der SPD-Schwäche, nicht die FDP von der Unzufriedenheit mit der CDU. In Hessen wurde der grüne Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir für seinen pragmatischen Kurs als Wirtschaftsminister belohnt, er ist beliebter als Ministerpräsident Bouffier. Aufgrund der CDU-Verluste bangt Schwarz-Grün jedoch um die Fortsetzung, die einzige kommode Mehrheit hätte ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP – jene "Jamaika"-Koalition, deren Verhandlungen im Bund 2017 scheiterten. Zweiter Gewinner des Bundestrends ist die AfD. Fünf Jahre nach ihrer Gründung sind die Nationalpopulisten nun in allen 16 Landtagen vertreten. Auch in Hessen speist sich ihr Wählerreservoir zum Großteil aus Protestwählern und enttäuschten Konservativen. Und solange Schwarz und Rot ihre Ansagen eines Neustarts nicht in die Tat umsetzen, stehen Grüne und Blaue vor rosigen Zeiten.